1. Sorgerecht der 2. Elternstelle
Anders als nach geltendem Recht soll eine 2. Elternstelle künftig entweder durch präkonzeptionelle Elternschaftsvereinbarung oder durch einseitige Erklärung bei bestehendem gemeinsamem Wohnsitz, nicht also bereits automatisch mit der Statuierung der Elternschaft, mitsorgeberechtigt werden. Der Mutter wird jedoch außerhalb von vorgeburtlichen notariell beurkundeten Vereinbarungen ein zeitlich befristetes Widerspruchsrecht eingeräumt, das, wenn ausgeübt, zu einer familiengerichtlichen Klärung führt. Damit wird erneut kein aus Sicht des DAV dringend notwendiger Gleichlauf von Elternschaft und Sorgerecht erreicht, denn die 2. Elternstelle benötigt (neben einem gemeinsamen Wohnsitz) die Mitwirkung der Mutter, bisher durch Zustimmung gem. § 1595 BGB, künftig durch die Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts.
2. Sorgerechtliche Korrekturmöglichkeiten
Der DAV äußert ebenfalls Bedenken gegen die geplante Flexibilität, das Sorgerecht ohne verpflichtende Einbeziehung von Kindesinteressen vertraglich einrichten und korrigieren zu können. Eine nach Beratung durch das Jugendamt durch Verzicht oder Übertragung entstandene Alleinsorge soll durch Erklärung (und erneuter jugendamtlicher Beratung) wieder zu einer gemeinsamen elterlichen Sorge werden können. Zudem sollen sorgerechtliche Befugnisse, auch durch den allein sorgeberechtigten Elternteil, auf weitere Personen übertragen werden können. Damit würden die in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verankerten Schutzprinzipien einschließlich des staatlichen Wächteramtes weitestgehend entleert. Unabhängig davon wird es an personellen und strukturellen Ressourcen der Jugendämter für einen derartigen Beratungsaufwand fehlen. Das Kindeswohl ist bei diesem Vorgehen nachrangig und weitestgehend einer staatlichen Kontrolle entzogen.
Das ist abzulehnen, was auch für die Idee gilt, auf Dritte präkonzeptionell Entscheidungskompetenzen in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes übertragen zu können. Da solche Vereinbarungen nach der Vorstellung der Eckpunkte überdies jederzeit (und beidseitig) durch (einseitige) schriftliche Erklärung aufgelöst werden können, erschließen sich weder Nutzen noch Bedarf. Stattdessen wird mit einer derartigen "Flexibilität" zugleich eine Rechtsunsicherheit generiert, die weder für Eltern noch Dritte akzeptabel ist.
3. Umgangsvereinbarungen
Eine Vereinbarung zum Umgang soll künftig zwischen den Eltern, aber auch erweitert auf Dritte, ohne gerichtliche Entscheidung oder protokollierten Vergleich allein durch notarielle Urkunde vollstreckbar werden. Das ist, mit Ausnahme der ohne jede Kindeswohlprüfung vorgesehenen Vollstreckungsklausel, durchaus zu begrüßen.
Allerdings darf auch die Möglichkeit der verbindlichen Vereinbarung der Betreuungszeiten außerhalb von gerichtlichen Verfahren nicht dazu führen, dass das Betreuen selbst ohne Einbindung des Kindes frei zur Disposition gestellt werden kann.
Eltern und Dritte sollen, ebenfalls durch notarielle Urkunde und nach Beratung durch das Jugendamt, verbindlich auf Umgänge verzichten können. Insofern ist nicht erklärt, warum ein solcher Verzicht – offenbar unumkehrbar – erklärt werden können soll. Eine Einbeziehung des Kindeswohls ist aufgrund gänzlich fehlender Beteiligungsrechte erneut nicht vorgesehen. Eine verpflichtende Beratung (nur) der Eltern von dazu nicht ausreichend ausgestatteten Jugendämtern kann das nicht ersetzen.
Die geplante Beibehaltung der kategorischen Trennung von Sorge- und Umgangsrecht entspricht nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Elternschaftsrecht und nicht den Lebenswelten vieler Familien, in denen die Betreuung in paritätischen Modellen gelebt wird.
Für eigene gesetzliche Umgangsrechte des Kindes mit Großeltern, Geschwistern oder genetischem Vater besteht in Anbetracht der bestehenden Rechtslage kein Bedarf. Das gilt auch für die kaum umsetzbare Idee, den Begriff des Kindeswohls im Gesetz zu konkretisieren. Der Versuch einer Beschreibung wird den Handlungsspielraum eher verringern als verklaren.
Sehr kritisch sieht der DAV darüber hinaus das geplante Mitbestimmungsrecht von Kindern ab 14 Jahren bei gerichtlichen sorge- und umgangsrechtlichen Vereinbarungen der Eltern, ohne welches diese nicht zustande kommen sollen, sowie die insgesamt massive Herabsetzung der Kinderrechte und staatlichen Kontrollmöglichkeiten zugunsten frei verhandel- und wandelbarer elterlicher Kompetenzen und Rollen.
Soweit im Kontext der Sorge und des Umgangs der Schutz vor häuslicher Gewalt thematisiert wird, ist bei einer Neuregelung dringend darauf zu achten, dass es nicht zu einer "Beweislastumkehr" kommt mit der Folge, dass den nicht von Gewalt betroffenen Kindern ein Elternteil unbotmäßig vorenthalten wird.
4. Wechselmodell
Dass dessen Benennung und die Möglichkeit einer gerichtlichen Anordnung in das Gesetz aufgenommen werden sollen, ist im Lichte der Rechtsprechung des BGH aus Sicht des DAV grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wünschenswert wären darüber hinaus aber besondere Klarstellungen zum Verfahrens- und Vertretungsrecht und zum Verhältnis von sorge- und umgangsrechtlichen Kompetenzen. Der DAV...