David Oertel
Noch wartet die Anwaltschaft auf die Umsetzung der verschiedenen, seit langem thematisierten Reformen, da drängt das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber schon zu weiteren Änderungen.
Am 9.4.2024 fällte das Bundesverfassungsgericht (1 BVR 2017/21, in diesem Heft S. 206 ff.) eine Entscheidung, die das Familienrecht in Deutschland nachhaltig prägen wird. Mit seiner Entscheidung zu § 1600 Abs. 2, 3 BGB wurden die Rechte leiblicher Väter gestärkt und damit ein wichtiges Signal für die Gleichberechtigung der Elternteile gesetzt.
Nach Auffassung des Gerichts berücksichtigt das geltende Familienrecht das Elterngrundrecht nicht in ausreichendem Maße. Laut Gerichtspräsident Stephan Harbarth müsse der Gesetzgeber die rechtliche Elternschaft leiblicher Väter neben der Mutter und dem rechtlichen Vater berücksichtigen. Das bisherige Recht berücksichtigt insbesondere auch nicht die vormaligen sozial-familiären Beziehungen zum leiblichen Vater sowie dessen bisherige Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung jedoch nicht nur ein Signal, sondern auch eine Frist gesetzt. Dem Gesetzgeber wurde Zeit bis zum 30.6.2025 gegeben, um die bestehende Gesetzeslage entsprechend anzupassen. Sie bedürften einer "Ausgestaltung". Der Gesetzgeber könne dabei "die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen". Das würde bedeuten, dass ein Kind rechtlich eine Mutter und zwei Väter haben kann. Wenn der Gesetzgeber allerdings an einer Beschränkung auf zwei rechtliche Elternteile festhalte, müsse sich dennoch etwas ändern. In dem Fall brauche es "ein hinreichend effektives Verfahren", das dem leiblichen Vater ermögliche, auch rechtlicher Vater zu werden.
Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber dieser Forderung gerecht wird und die notwendigen Reformen zeitnah umsetzt. Dies setzt voraus, dass man sich innerhalb der Regierungskoalition auf einen gemeinsamen Weg verständigen kann. Betrachtet man die "Geschwindigkeit" bei der Gestaltung der aktuell in Arbeit befindlichen Reformen, dürften zumindest Zweifel an einer kurzfristigen Umsetzung der neuen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht unangebracht sein. Es liegt nun aber an den politischen Entscheidungsträgern, sicherzustellen, dass die Rechte leiblicher Väter nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch schnellstmöglich in der Praxis umgesetzt werden. Langwierige Diskussionen über "Eckpunkte" wie bei den Reformen im Kindschaftsrecht, Abstammungsrecht und Unterhaltsrecht sind nur wenig hilfreich.
Die betroffenen Familien, die Gerichte, aber vor allem auch wir Anwälte müssen rechtzeitig wissen, was auf uns im kommenden Jahr an Änderungen tatsächlich zukommt.
Letztlich wünsche ich uns allen, dass die offenen Reformvorhaben bis zur Sommerpause schnell und zielstrebig angegangen werden oder zumindest Klarheit über die zukünftige Rechtslage besteht
Autor: David Oertel
David Oertel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familien- und Erbrecht, Dresden
FF 5/2024, S. 177