Einführung
Die Mitglieder des Deutschen Bundestages haben am 24. April 2008 dem Gesetzentwurf zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls zugestimmt, dem Vernehmen nach einstimmig. Dieses Gesetz beruht auf Empfehlungen einer Experten-Arbeitsgruppe, die die Bundesjustizministerin Zypries im Mai 2006 eingesetzt hatte. Geprüft wurden Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung, ebenso wie Maßnahmen für Kinder und Jugendliche, die bereits in jungen Jahren wiederholt straffällig geworden sind. Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe "Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls" stammt vom 17. November 2006. Er wurde anlässlich der Herbstkonferenz von den Justizministerinnen und Justizministern am 30. November 2006 in Brüssel zur Kenntnis genommen, die in diesem Bericht eine geeignete Grundlage sahen, um zu notwendigen materiell- und verfahrensrechtlichen Verbesserungen im Familienrecht zu gelangen. Sie baten die Bundesministerin der Justiz, auf der Grundlage des Berichts möglichst rasch einen Gesetzentwurf zur Umsetzung von Verbesserungen vorzulegen. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 übersandte die Bundeskanzlerin dem Präsidenten des Deutschen Bundestages den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls mit der Bitte, die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages herbeizuführen. Dieser Gesetzentwurf, der inhaltsgleich mit dem beschlossenen Gesetz ist, sieht ein Bündel von materiell-rechtlichen und prozessualen Änderungen vor, die Gegenstand dieser Abhandlung sind:
1. Abbau von "Tatbestandshürden" für die Anrufung des Familiengerichts
Das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls hat in § 1666 Abs. 1 BGB das elterliche Erziehungsversagen gestrichen. Der Richter braucht zukünftig nicht mehr die Tatbestandsmerkmale der missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge, der Vernachlässigung des Kindes und des unverschuldeten Versagens der Eltern im Einzelnen zu prüfen. Da die Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl auch nach alter Rechtslage niemals ein Elternverschulden vorausgesetzt hat, vielmehr bislang auch ein unverschuldetes Versagen ausgereicht hat, ist die Streichung des elterlichen Fehlverhaltens zu begrüßen, weil es sich hierbei immer nur um einen unnötigen Prüfschritt gehandelt hat. Das Gericht hat zukünftig nur noch zu prüfen, ob die Eltern als Schutzinstanz ausfallen. Ausreichend für die Anwendung der Vorschrift des § 1666 BGB ist dann nur noch die Gefährdung des Kindeswohls und die Unwilligkeit oder Unfähigkeit der Eltern, Gefahren vom Kind abzuwenden.
Das Fallenlassen des elterlichen Fehlverhaltens hat darüber hinaus einen weiteren Vorteil. Da es sich hierbei um eine vergangenheitsorientierte Feststellung handelt, können die Eltern diese ausdrückliche Feststellung als einen Vorwurf verstehen, der zur Folge haben kann, dass sie die zukünftige Kooperationsbereitschaft mit dem Jugendamt einstellen.
2. Konkretisierung der Rechtsfolgen
Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Gericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr für das Kind erforderlich sind. Auf Grund dieser offenen Formulierung hat das Gericht vielfältige Möglichkeiten. Im Bereich der Personensorge kann das Familiengericht nach geltender Rechtslage Ermahnungen, Auflagen, Ge- und Verbote sowie Weisungen erteilen. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls soll die Vielfalt der möglichen Schutzmaßnahmen von den Familiengerichten nicht in vollem Umfang genutzt worden sein. Vielmehr beschränkten sich die gerichtlichen Maßnahmen nach § 1666 BGB in der Mehrzahl auf den teilweisen oder vollständigen Entzug des Sorgerechts. Mit der beispielhaften Änderung in § 1666 Abs. 3 BGB soll nunmehr exemplarisch klargestellt werden, dass auch noch familienrechtliche Maßnahmen unterhalb der Schwelle der vollständigen oder teilweisen Sorgerechtsentziehung möglich sind.
Ob allein die nicht abschließende Aufzählung der gerichtlichen Schutzmaßnahmen überhaupt in der Lage ist, das von der Bundesregierung angesprochene Problem zu lösen, ist überaus fraglich. Denn die Familiengerichte wurden bislang nach der Erfahrung des Verfassers, der seit dem 1.7.1977 Familienrichter ist, oftmals erst nach einem langen Hilfeprozess durch das Jugendamt eingeschaltet, was dann zwangsläufig zur Folge hat, dass sich die Kindeswohlgefährdung schon derart zugespitzt hat, dass nur noch der vollständige oder teilweise Entzug der elterlichen Sorge in Betracht kommen konnte.
Unabhängig hiervon ist...