1. Ausgangslage
Nach der für den Verwandtenunterhalt und damit auch für Kinder geltenden Vorschrift des § 1610 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Kindesunterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Merkmale für eine eigene Lebensstellung sind insbesondere die Ausbildung, der erwählte Beruf, die berufliche Stellung und das zur Verfügung stehende Einkommen und Vermögen. Die Unterhaltspflicht wird durch den sozialen Rang bestimmt. Bis zum Abschluss seiner Ausbildung hat ein Kind in der Regel noch keine eigene Lebensstellung i.S.d. § 1610 BGB; diese wird vielmehr von den Eltern abgeleitet. Deshalb kommt es entscheidend auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern an. Nach der Trennung der Eltern bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich allein nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils, wenn der andere Elternteil das Kind versorgt und betreut (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Maßgebend für die Lebensstellung und damit auch den Unterhalt eines Kindes sind neben den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils auch die Zahl der unterhaltsberechtigten Geschwister und die Frage, ob der betreuende Elternteil Ehegattenunterhaltsansprüche hat. Der laufende durchschnittliche Bedarf eines Kindes wird in den meisten Fällen schematisiert nach Unterhaltstabellen, hier insbesondere der Düsseldorfer Tabelle, und Leitlinien der Oberlandesgerichte bemessen. Die Düsseldorfer Tabelle trägt der Anzahl der Unterhaltsberechtigten durch Zu- und Abschläge bei unter- oder überdurchschnittlicher Unterhaltslast Rechnung. Sie differenziert zudem nach Einkommensgruppen und dem Alter der Kinder. Seit dem 1. Januar 2008 hat die Düsseldorfer Tabelle nur noch 10 statt 13 Einkommensgruppen. Der Höchstbetrag liegt jetzt bei 5.100 EUR (früher bei 4800 EUR). Bei besonders günstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, d.h. bei einem über der Höchstgrenze liegenden Einkommen, ist der Unterhalt nach den Umständen des Falles zu bemessen. Dies kann durch eine Erhöhung des Prozentsatzes für den Unterhalt oder durch eine konkrete Darlegung eines höheren Unterhaltsbedarfs und der Notwendigkeit der hierfür erforderlichen Barmittel erfolgen. Hierbei muss das Kind nicht seine gesamten – auch elementaren Aufwendungen – in allen Einzelheiten spezifiziert darlegen, sondern kann sich darauf beschränken, besondere oder besonders kostenintensive Bedürfnisse zu belegen. Das Gericht hat dann den Bedarf unter Würdigung der besonderen Verhältnisse des betroffenen Kindes ggf. zu schätzen.
Eine Unterhaltsvereinbarung zwischen den Eltern über den Kindesunterhalt, auch in Form eines Prozessvergleichs, darf keinen teilweisen oder völligen Verzicht auf den Unterhalt für die Zukunft beinhalten oder auf einen solchen hinauslaufen, § 1614 Abs. 1 BGB. Das gilt auch für die Einschränkung einer Erhöhungsmöglichkeit nach § 323 ZPO sowie für Abfindungsvereinbarungen. Hiervon zu unterscheiden sind Freistellungsvereinbarungen zwischen den Eltern. Vereinbarungen zum Kindesunterhalt dergestalt, dass ein Elternteil gegenüber dem anderen die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung für ein Kind übernimmt, sind grundsätzlich zulässig, denn durch sie bleibt der Unterhaltsanspruch des Kindes unberührt. Nach der Rechtsprechung des OLG Naumburg soll dieser Grundsatz jedoch nicht den rückständigen Unterhalt betreffen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann die Freistellung durch den sorgeberechtigten Elternteil dazu führen, dass, soweit die Freistellung zur Unterdeckung führte, auf Geltendmachung zeitgleichen Unterhalts verzichtet worden ist. Jedenfalls hinsichtlich des laufenden und des künftigen Unterhalts ist das Kind durch eine Freistellungsvereinbarung nicht gehindert, den Unterhalt gegen den freigestellten Elternteil geltend zu machen. Rechtlich ist die zwischen den Eltern vereinbarte Freistellung von Unterhaltsansprüchen des Kindes als eine Erfüllungsübernahme i.S.v. § 329 BGB einzuordnen.
Eine Freistellungsvereinbarung kann nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn das Sorgerecht über ein Kind als Tauschobjekt für die Freistellung von Unterhaltspflichten benutzt wurde. Gleiches gilt, wenn die Freistellungsverpflichtung mit einer Verpflichtung gekoppelt wird, auf Dauer von der Ausübung des Umgangsrechts mit dem gemeinsamen Kind abzusehen, oder wenn der barunterhaltspflichtige freigestellte Elternteil sich ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes allein aus wirtschaftlichen Gründen mit einer unangemessenen und dauerhaften Einschränkung seines Umgangsrechts einverstanden erklärt. Darüber hinaus kann eine Freistellungsvereinbarung als Teil eines formbedürftigen notariellen Vertrages über Ehegattenunterhalt zwischen den Eltern sittenwidrig sein, wenn der betreuende und sozial schwächere Ehegatte auf nachehelichen Unterhalt verzichtet und gleichzeitig den Kindesunterhalt ganz oder zu einem wesentlichen Te...