In Fällen, in denen die Mutter z.B. auf Grund von Krankheit, Tod oder Sorgerechtsentziehung vollständig ausfällt (§ 1678 Abs. 2, § 1680 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, § 1681 Abs. 1 BGB), sieht das Gesetz für den Erwerb der elterlichen Sorge des Vaters eine positive Kindeswohlprüfung vor ("dem Wohl des Kindes dient"). Im Jahre 2005 hat das BVerfG § 1680 Abs. 2 S. 2 BGB verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass eine Sorgerechtsübertragung auf den Vater in Fällen, in denen dieser "über einen längeren Zeitraum die elterl. Sorge für die Kinder zwar nicht in rechtlicher, aber in tatsächlicher Hinsicht wahrgenommen hat, [ … ] regelmäßig dem Kindeswohl dient, solange nicht konkret feststellbare Kindesinteressen der Übertragung widersprechen".
Diese Entscheidung, die – mit dem Wortlaut der Norm und dem Gesetzgeberwillen nur schwer vereinbar – faktisch aus der positiven Kindeswohlprüfung eine negative Kindeswohlprüfung macht, wird für die künftige Reform richtungsweisend sein. In Fällen, in denen der Staat weder in seiner Funktion als Wächter (Kindeswohlgefährdung) noch als Schlichter im Elternkonflikt zum Eingriff in das Elternrecht berechtigt ist, steht die Elternverantwortung den Eltern, d.h. hier dem Vater, uneingeschränkt zu, so dass generell beim Ausfall der Mutter nur eine negative Kindeswohlprüfung ("dem Kindeswohl widerspricht") von Verfassungs wegen in Betracht kommt. Nach ständiger Rspr. des BVerfG weist Art. 6 Abs. 2 GG primär den Eltern das Recht zur Erziehung zu; es gehört nicht zur Ausübung des staatlichen Wächteramtes, "gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen".
Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des BGH auch schon jetzt im Falle der Adoptionsfreigabe durch die Mutter: "Ruht die alleinige elterliche Sorge der Mutter (§ 1626a II BGB), weil diese der Adoption ihres Kindes zugestimmt hat (§ 1751 I BGB), bedarf ein Antrag des Vaters auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts nach § 1672 I BGB nicht mehr ihrer Zustimmung. In einem solchen Fall ist dem Antrag des Vaters im Rahmen einer verfassungsgemäßen Auslegung des § 1672 I S. 2 BGB und unter Beachtung der EMRK schon dann stattzugeben, wenn die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes ‘nicht widerspricht’ [Folgeentscheidung im Fall ‘Görgülü’]."
Bei einer einheitlichen Regelung mit negativer Kindeswohlprüfung für alle Fälle eines Ausfalls der Mutter wäre auch folgender BGH-Fall anders zu entscheiden gewesen: Der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes wurde unmittelbar nach der Geburt die elterliche Sorge entzogen; die Sorge wurde auf das Jugendamt übertragen. Nach der Eheschließung der Eltern ein Jahr nach der Geburt des Kindes hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, ob der Vater durch die Heirat das Sorgerecht für sein Kind erworben habe. Da nach Auffassung des BGH die Entscheidung über die Entziehung der elterlichen Sorge der Mutter auch inzident die ablehnende Entscheidung über die elterliche Sorge des Vaters gem. § 1680 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 3 BGB umfasst, sei der Erwerb der elterlichen Sorge durch den Vater nur noch unter den Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 S. 2 BGB möglich. Die Übertragung der Sorge auf den Vater wäre daher nur bei Vorliegen von triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen zulässig. Nur am Rande sei bemerkt, dass der BGH die nicht näher begründete Auffassung vertritt, dass § 1696 BGB "eine spätere Übertragung des Sorgerechts auf den Vater zu[lasse], wenn dieses dem Wohl des Kindes dien[e]". Auch dieses Beispiel belegt, dass eine Reduzierung der Anzahl der unterschiedlichen Kindeswohlmaßstäbe Not tut. Die Entscheidung zeigt aber auch, dass der BGH die Regelungen zum nichtehelichen Eltern-Kind-Verhältnis nicht immer verfassungskonform interpretiert: Im vorliegenden Fall hat er in Anknüpfung an den Familienstand der Eltern bei Geburt des Kindes die Schwelle für den erstmaligen Erwerb der elterlichen Sorge des Vaters deutlich höher angesetzt als in Fällen, in denen die Eltern bereits bei der Geburt des Kindes verheiratet sind und in denen der Staat als Wächter nur bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung in die elterliche Sorge eines Elternteils eingreifen darf.