a) Überblick
Ein weiteres wichtiges Element des Entwurfs betrifft die Kenntnis der eigenen Abstammung. Umfasst ist davon nicht nur die Kenntnis davon, von wem man selbst abstammt, sondern auch die Kenntnis, wer von einem abstammt.
Die bisherige Regelung in § 1598a BGB, die verfassungsrechtliche Vorgaben umsetzt, soll deutlich erweitert und in § 1600g BGB-E verschoben werden. Eingeführt wird zum einen ein Anspruch des genetischen Vaters gegen das Kind, zum anderen ein Anspruch des Kindes gegen einen vermeintlichen genetischen Vater. Das bedeutet zugleich, dass die umstrittene Ausgestaltung der Norm als privatrechtlicher Anspruch erhalten bleibt. Das Bestehen oder auch das Nichtbestehen der genetischen Verwandtschaft ist somit in dem Verfahren auch weiterhin nicht Gegenstand.
b) Anspruch des genetischen Vaters
Neu eingeführt wird zunächst ein Anspruch des (nur) genetischen Vaters auf Klärung der Abstammung. Dieser Anspruch gilt nur für solche (vermeintlichen) Väter, die der Mutter beigewohnt haben. Damit schließt die Neuregelung aus, dass ein Mann, der im oben dargelegten Sinne offizieller Samenspender ist, später Klärung der Vaterschaft verlangt. Oben wurde bereits gezeigt, dass das allenfalls wegen der geringen Formerfordernisse problematisch sein kann.
Dass genetische Väter ansonsten ein Recht auf Klärung der Abstammung erhalten, ist richtig. Damit wird die derzeitige unerfreuliche Rechtslage im Bereich des § 1686a BGB korrigiert. Denn derzeit muss der Vater den gerichtlichen Antrag auf Einräumung des Kontaktrechts stellen, damit dann in diesem Verfahren die Elternstellung geklärt wird. Das hat zu äußerst schwierigen Situationen geführt und ist für alle Beteiligten unnötig kompliziert. Eine isolierte Klärung, die das Recht des Vaters sichert, Kenntnis davon zu erlangen, wer von ihm abstammt, ist das mildere Mittel. Indem die eidesstattliche Versicherung der Beiwohnung verlangt wird, werden auch unnötige Störungen der Familie durch fernliegende Anträge zumindest einigermaßen eingedämmt werden können. Das Gericht soll nach § 1600g Abs. 3 BGB-E zudem das Verfahren aussetzen, wenn die Klärung der genetischen Abstammung zu einer erheblichen und unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Wohls des Kindes führen würde.
c) Anspruch des Kindes gegen den potentiellen Vater
Die neue Regelung gibt nun außerdem dem Kind das Recht, von einem Mann, den es für seinen Vater hält, die Einwilligung in eine Untersuchung zur Klärung der genetischen Abstammung zu verlangen. Auch das war bisher in § 1598a BGB nicht vorgesehen. Das BVerfG hatte dazu entschieden, dass es dem Gesetzgeber frei stehe, einen solchen Anspruch vorzusehen oder nicht.
Um die Neuregelung zu verstehen, muss man wissen, dass der Gesetzgeber bei minderjährigen Kindern einen Vorrang der Feststellung der Vaterschaft sieht. Daher können diese die genetische Vaterschaft nur klären lassen, wenn die zweite Elternstelle bereits besetzt ist, oder wenn der genetische Vater sonst nicht für die Elternstellung in Betracht kommt. Letzteres ist insbesondere auch bei der offiziellen Samenspende der Fall. Ist die zweite Elternstelle noch unbesetzt, so kann das Kind die isolierte Klärung erst verlangen, wenn es volljährig ist.
Im Grundsatz erscheint ein solcher Anspruch dann zunächst berechtigt, wenn man annimmt, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung das Recht des Mannes auf Unkenntnis von genau dieser Abstammung überwiegt. Aber diese einfache Gleichung täuscht. Denn der betroffene Mann ist ja keineswegs sicher der Vater. Die geplante Regelung, die den Anspruch gegen jeden Mann vorsieht, der "den Umständen nach" als Vater in Frage kommt, geht insofern bedenklich weit. Denn damit können Personen ohne wirklich greifbare Eingrenzung zur Abgabe einer Genprobe verpflichtet werden, was als erheblicher Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG geschützte informationelle Selbstbestimmung zu bewerten ist. Es wäre insofern ratsam, den Wortlaut des Gesetzes enger zu fassen und zumindest die Vorlage konkreter Anhaltspunkte zu verlangen.