Nun sollte man noch einen zweiten grundlegenden Aspekt berücksichtigen, nämlich die Bindung des Gesetzgebers durch Art. 6 GG. Zwar bieten Art. 6 Abs. 1 und 2 GG dem Gesetzgeber erheblichen Spielraum bei der Ausgestaltung des privaten Familienrechts. In gewissem Maße bestimmt sogar das einfache Recht überhaupt erst, wer durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützt ist. Doch kann das nicht ausnahmslos gelten. Nach wohl allgemeiner Ansicht besteht ein durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützter Kernbereich, der nicht zur Disposition des einfachrechtlichen Gesetzgebers steht. Der Freiraum für einfachrechtliche Regelungen über die Abstammung ist also dadurch eingeschränkt, dass die autonom bestehenden Grundrechtspositionen der potentiellen rechtlichen Eltern beachtet werden müssen. Die schon oben erwähnten Regelungen, die bei der Auswahl der rechtlichen Eltern auf das konkrete Kindeswohl oder die individuelle Elterneignung abstellen würden, wären mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht vereinbar. Denn das grundrechtliche Elternrecht besteht unabhängig von der Erziehungsfähigkeit der Eltern.
Einig ist man sich heute außerdem darüber, dass Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht verlangt, in jedem Fall auf die genetische Verwandtschaft abzustellen. Das mag vielleicht überraschen, da damit staatlicher Einmischung doch zumindest potentiell die Tür geöffnet wird. In der Tat darf die genetische Verwandtschaft auch keinesfalls einfach übergangen werden, wie unten näher gezeigt werden wird (insbesondere II. 3.). Dass sie sich nicht immer durchsetzt, liegt aber daran, dass unterschiedliche Grundrechtspositionen zu berücksichtigen sind. Insbesondere verbietet der Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG, dass eine bestehende soziale Familie ohne Rechtfertigung auseinandergerissen wird. Und in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG selbst wird das (nun wieder abstrakte) Kindeswohl, das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützt ist, schon mit hineingelesen. Die genetische Abstammung kann daher zurückgedrängt werden, wenn in der abstrakten Situation die Elternstellung des genetischen Elternteils für das Kind nicht günstig ist, oder wenn andere Grundrechtspositionen überwiegen. Sieht man vor diesem Hintergrund noch einmal auf die Bedeutung der genetischen Abstammung, dann ist anzunehmen, dass die genetische Verwandtschaft gar nicht so sehr einen Wert als solchen darstellt. Viel gewichtiger sind die erfahrungsgemäß oft damit verbundenen Verhaltensweisen und Entwicklungen. Es wird zumindest vermutet, dass die genetische Verwandtschaft ein Faktor für die Stabilität der Bindung sein kann und sich zudem bei der Identitätsfindung des Kindes positiv auswirkt. Deshalb ist sie im Ergebnis dann doch sehr wichtig.