Undine Krebs
Pandemiebedingt verlegen bzw. stützen viele Kolleginnen und Kollegen die Besprechung mit dem Mandanten auf Video-Chat-Plattformen.
Aber kann diese Kommunikation mit dem persönlichen Gespräch mithalten oder es ersetzen?
Wer selbst schon über Video-Chat Beratungsgespräche geführt hat, musste feststellen, dass dabei etwas Entscheidendes fehlt. Der persönliche Ausdruck besteht nicht nur aus Worten, sondern ebenso aus Mimik und Gestik. Gesichtsausdrücke, Gebärden und vor allem das Gestikulieren, all das kommt über den Videokontakt nicht richtig an. Von großem Nachteil ist dabei auch, dass keine unmittelbare Reaktion auf das Gesagte im Gesicht des Gegenübers gelesen werden kann. Dem Anwalt wird es dadurch schwer gemacht, sofort Unklarheiten "gerade zu rücken". Die Kommunikation via Bildschirm kann so leicht zu Missverständnissen führen!
Ich habe festgestellt, dass auch das Medium selbst zum Störfaktor werden kann, indem sich die Übertragung verzögert oder ganz ausfällt. Das kann für den Mandanten, der in einem Gespräch über die Trümmer seiner Ehe spricht, eine Stresssituation darstellen. Eine solche ist aber für das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses nicht eben förderlich. Mancher Mandant wird auf diese Weise auch leicht aus dem Konzept gebracht, was wiederum nicht im Interesse des Anwalts sein kann.
Persönliches Kennenlernen ist aus meiner Sicht deshalb wichtig. Bedauerlicherweise fällt aktuell schon der erste Händedruck weg. Man sieht das Gesicht nicht vollständig und der gemeinsame Kaffee, verbunden mit einem kurzen anfänglichen Smalltalk, der die Nervosität etwas eindämmen kann, fehlt ebenfalls. Viele Informationen über den Mandanten und umgekehrt natürlich auch über den Anwalt, können so nebenbei aufgenommen werden. Diese können dann wiederum bei der finalen Entscheidung der Mandatierung für beide Seiten von wesentlicher Bedeutung sein. In 27 Jahren Berufserfahrung habe ich gelernt, dass nicht jeder Mandant zum Anwalt passt und umgekehrt. Die Erstberatung bietet für beide, Mandant und Anwalt, die Möglichkeit, zu erkennen, ob eine doch über Monate angelegte Zusammenarbeit funktionieren kann.
Ist das, was ich hier anspreche, aber nicht alles auch nur eine Frage der Gewöhnung und damit wohl auch eine Generationsfrage? Ich war der Überzeugung, dass gerade junge, technikaffine Leute das Angebot eines Videochats schätzen. Überrascht musste ich aber feststellen, dass das nicht der Fall ist. Zuletzt hat ein junges Paar, Anfang 30, beide von Beruf Physiker, unmissverständlich das persönliche Gespräch vorgezogen, nachdem ich die Möglichkeit erwähnte, per Videochat zu kommunizieren. Dazu meinten sie beide, dass sie sich im direkten Gespräch und persönlich mit der "maskierten" Anwältin einen besseren Eindruck verschaffen könnten als von der "unmaskierten" vor dem Bildschirm.
Doch es gibt auch positive Seiten der online-Beratung: Das Gespräch mit den Mandanten ist "disziplinierter", stringenter und nicht so ausschweifend. Besprechungen mit Mandanten werden so kürzer und oft effektiver. Das wiegt sicher einige Nachteile auf. Viele Kolleginnen und Kollegen sind von der neuen Möglichkeit mit den Mandanten zu kommunizieren auch begeistert.
Corona hat uns immer noch fest im Griff. Unsere bewährten Abläufe werden gerade empfindlich gestört. Wir Anwälte versuchen, das Sinnvollste in der aktuellen Situation möglich zu machen und mit interaktiven Mitteln, wenn es schon nicht persönlich geht, weiter produktiv zu bleiben.
Autor: Undine Krebs
Undine Krebs, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München
FF 6/2021, S. 221