Gründe: I. [1] Die Verfassungsbeschwerde betraf die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren, in dem die Beschwerdeführerin die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen in einem praktizierten (paritätischen) Wechselmodell verfolgt.

[2] 1. Die Beschwerdeführerin ist Mutter von zwei minderjährigen Kindern, die aus der Ehe mit dem Vater hervorgegangen sind. Die getrenntlebenden Eltern üben die elterliche Sorge für beide Kinder gemeinsam aus und betreuen sie mit gleichen Anteilen in einem paritätischen Wechselmodell.

[3] a) Im März 2020 stellte die Beschwerdeführerin beim Familiengericht einen auf § 1628 BGB gestützten Antrag auf Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen im Wege einstweiliger Anordnung. Das Familiengericht entzog beiden Eltern daraufhin mit nicht angegriffenem Beschluss auf der Grundlage von § 1629 Abs. 2, § 1796 BGB die elterliche Sorge in dem Teilbereich "Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen" und übertrug sie auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger.

[4] b) Hiergegen legte die Beschwerdeführerin beim Oberlandesgericht München Beschwerde ein, mit der sie insbesondere eine Verletzung ihres höchstrichterlich anerkannten Wahlrechts zwischen dem von ihr gestellten Antrag nach § 1628 BGB und einem Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen bei praktiziertem Wechselmodell rügte und beantragte Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren.

[5] Das Oberlandesgericht wies den Verfahrenskostenhilfeantrag der Beschwerdeführerin nach vorherigem richterlichem Hinweis mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschl. v. 15.10.2020 zurück, weil die eingelegte Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, der Bundesgerichtshof habe zwar für den Fall eines (paritätischen) Wechselmodells darauf hingewiesen, dass für die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen ein Ergänzungspfleger zu bestellen oder eine Entscheidung nach § 1628 BGB herbeizuführen sei (unter Verweis auf BGH, Urt. v. 21.12.2005 – XII ZR 126/03, juris, Rn 9 und BGH, Beschl. v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13, juris, Rn 16). Aufgrund eines vorliegenden Interessenkonflikts zwischen den Interessen der Eltern und der Kinder im Sinne des § 1796 BGB (i.V.m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB), der sich aus der im Falle eines praktizierten Wechselmodells in Betracht kommenden anteiligen Barunterhaltspflicht beider Elternteile ergebe, sei vorliegend jedoch die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich.

[6] 2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Rechts auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil das Oberlandesgericht über eine schwierige, ungeklärte Rechtsfrage, nämlich die Frage nach einer Wahlmöglichkeit des Antragstellers zwischen einem Antrag nach § 1628 BGB und einem Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen in einem praktizierten Wechselmodell, entschieden habe.

[7] Mit Beschl. v. 20.11.2020 bewilligte das Oberlandesgericht der Beschwerdeführerin Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten unter Abänderung der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung. Die Rechtsfrage, ob grundsätzlich eine Wahlmöglichkeit des Antragstellers besteht oder ob aufgrund eines Interessenkonflikts, den der Senat in seiner ursprünglichen Entscheidung angenommen habe, in gewissen Fallkonstellationen die Anwendbarkeit des § 1666 BGB und die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich sei, sei bislang nicht abschließend geklärt.

[8] Daraufhin erklärte die Beschwerdeführerin das vorliegende Verfassungsbeschwerdeverfahren für erledigt und beantragte die Anordnung der Auslagenerstattung.

[9] 3. Der Freistaat Bayern hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

II. [10] Der Beschwerdeführerin sind ihre durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

[11] 1. Wird eine Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt, so ist über sie nicht mehr zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 <113>). In Fällen dieser Art ist die Kammer jedoch zur Entscheidung über die Auslagenerstattung befugt (vgl. BVerfGE 72, 34 <38 f.>).

[12] Über die Erstattung der Auslagen ist nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden, § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen dar (vgl. BVerfGE 66, 152 <154>). Bei der Entscheidung ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Ums...

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