Hoch umstritten ist die sich anschließende Frage, ob in dem um Anerkennung ersuchten Staat dennoch eine nachträgliche Überprüfung der Scheidung erfolgen darf oder muss.
In Bezug auf die internationale Zuständigkeit ist man sich weitgehend einig, dass eine solche nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit ausscheidet. Das folgt bereits aus Art. 69 Brüssel IIb-VO, welcher die Nachprüfung der Zuständigkeit des Ursprungsmitgliedstaats im Rahmen der Anerkennung verbietet. Für eine nachträgliche Überprüfung der Zuständigkeit besteht aber auch gar kein Bedürfnis, weil in den Art. 64 ff. Brüssel IIb-VO ja erstmals ausdrücklich eine (jedenfalls mittelbare) Bindung an die vereinheitlichten Zuständigkeitsvorschriften auch für Urkunden und Vereinbarungen erfolgt ist (siehe oben). Die anderen Mitgliedstaaten können also darauf vertrauen, dass die Stelle, welche die Bescheinigung gem. Art. 66 Brüssel IIb-VO ausgestellt und darin die internationale Zuständigkeit des Ursprungsmitgliedstaats bejaht, eine Prüfung der Zuständigkeitsfrage vorgenommen hat.
Weniger eindeutig ist die Frage zu beantworten, ob zumindest eine nachträgliche Überprüfung des Kollisions- und materiellen Rechts erfolgen kann oder muss. Auch wenn Art. 71 Brüssel IIb-VO die Nachprüfung in der Sache eigentlich verbietet, wird teilweise eine Kontrollmöglichkeit im Anerkennungsstaat gefordert. Der bloß formale Mitwirkungsakt einer Behörde oder eines Notars im Ursprungsstaat sage nämlich nichts darüber aus, ob die Scheidungsvereinbarung nach dem kollisionsrechtlich maßgeblichen Recht und in einem fairen Verfahren zustande gekommen sei.
Vorgeschlagen wurde daher eine analoge Anwendung von Art. 59 Abs. 2 und 3 EuErbVO. Dies würde bedeuten, dass die materiellrechtliche Unwirksamkeit der Scheidungsvereinbarung – beispielsweise, weil ein Ehegatte bei deren Abschluss geschäftsunfähig war – analog Art. 59 Abs. 3 S. 1 EuErbVO nachträglich bei allen nach der Brüssel IIb-VO zuständigen Gerichten geltend gemacht werden könnte. Die Gerichte hätten dann nach dem kollisionsrechtlich ermittelten Recht über die Wirksamkeit der Scheidung zu entscheiden; in Deutschland käme also Art. 17 Abs. 2 EGBGB zur Anwendung. Eine solche Analogie würde freilich aus der von Art. 65 Abs. 1 S. 1 Brüssel IIb-VO eingeführten "Anerkennung" im Ergebnis doch eine bloße "Annahme" machen, was der gesetzgeberischen Intention widersprechen dürfte. Außerdem ist bedenklich, dass materiellrechtliche Einwände nach Art. 59 Abs. 3 S. 1 EuErbVO bei allen nach der Verordnung zuständigen Gerichten erhoben werden könnten. Da es nämlich seit Sahyouni für Privatscheidungen kein vereinheitlichtes Scheidungskollisionsrecht gibt, hätte jeder Mitgliedstaat sein eigenes Kollisionsrecht anzuwenden. Dann bestünde die Gefahr, dass die Wirksamkeit der Scheidung in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt würde. Hinkende Rechtsverhältnisse wären die Folge.
Dieses Risiko wird minimiert, wenn man Art. 65 Abs. 1 S. 1 Brüssel IIb-VO mit der bereits erwähnten Ansicht als Kollisionsnorm einstuft. Dann würde sich die Wirksamkeit der Scheidung stets nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats richten. Nach diesem Recht dürften dann aber auch die Gerichte und Behörden im Anerkennungsstaat die Wirksamkeit der Scheidung überprüfen, soweit eine solche nachträgliche Überprüfung auch im Ursprungsmitgliedstaat erlaubt wäre. Zwar streite in der Regel die der Urkunde oder Eintragung beigemessene Vermutungs- und Beweiswirkung für die Wirksamkeit der Scheidung; eine Prüfung könne aber dann erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Scheidung bestehen.
Auch gegen diesen Vorschlag spricht aber der zu Tage getretene gesetzgeberische Wille, eine echte verfahrensrechtliche Anerkennung für in Urkunden oder Vereinbarungen verkörperte Scheidungen einzuführen. Nur eine verfahrensrechtliche Anerkennung verbürgt Kontinuität und Vertrauensschutz und verhindert zuverlässig hinkende Rechtsverhältnisse zugunsten eines unionsweit einheitlichen Personenstands. Denn auch wenn der um Anerkennung ersuchte Staat die Scheidung allein nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats prüfen und für unwirksam befinden dürfte, könnte er an der Registereintragung im Ursprungsmitgliedstaat doch nichts ändern. Dort wäre die Scheidung noch immer in der Welt, würde womöglich weiterhin als wirksam behandelt werden und einen Vertrauenstatbestand begründen. Deshalb darf die Scheidung in meinen Augen im Anerkennungsstaat nur in dem (praktisch wohl äußerst seltenen) Fall ignoriert werden, in dem feststeht, dass ein Mangel vorliegt, der sie auch im Ursprungsmitgliedstaat ex lege aus der Welt räumt – also ohne, dass eine dortige Behörde oder ein dortiges Gericht zunächst die Registereintragung beseitigen müsste.
Abgesehen von solchen Fällen kann die Scheidung in meinen Augen nachträglich allein im Ursprungsmitgliedstaat angegriffen werden, wenn das dortige Recht dies zulässt. Zudem kann dort die für die Anerkennung erforderliche Bescheinigung gem. A...