Man mag sich ein Leben ohne Vertrauen nicht vorstellen. Andererseits gibt es viele Lebensbereiche, in denen es höchst riskant ist, sich allein auf persönliche Versprechen zu verlassen. Hierzu gehört sicherlich die gezielt herbeigeführte Elternschaft durch zwei Personen, deren persönliche Beziehung nicht über eine kurze Zufallsbekanntschaft hinausreicht und woran sich auch nach der Geburt des Kindes nichts ändern soll – handelt es sich doch um eine Entscheidung mit lebenslang nachwirkenden Folgen. Denn das gesetzliche Konzept ist unverändert am Primat der biologischen Abstammung und dem Zwei-Eltern-Prinzip ausgerichtet.[1] Es ist vorhersehbar, dass sich diese Prinzipien im Konfliktfall auch behaupten werden. Umso wichtiger wäre eine vollständige Dokumentation dessen, was von allen Beteiligten tatsächlich gewollt ist.

Neben der mit jeder Tatsachenaufklärung verbundenen Unsicherheit lenkt der Sachverhalt den Blick auf die juristischen Herausforderungen, die sich aus der Vielfalt neuer Lebensformen ergeben. Dreh- und Angelpunkt ist das Abstammungsrecht. Dessen dringend angemahnte Reform nebst den Regeln für alle weiteren familienrechtlichen Folgen lässt noch immer auf sich warten.[2] Bis es soweit ist, müssen neue Lebenswirklichkeiten mit dem rechtlichen Instrumentarium von gestern bewältigt werden.

Erst seit fünf Jahren schließt § 1600d Abs. 4 BGB die rechtliche Vaterschaft des Spenders dauerhaft aus, sofern es sich um eine ärztlich assistierte und mittels einer sog. qualifizierten Samenspende durchgeführte künstliche Befruchtung handelt. Ansonsten verhindert die einvernehmliche Samenspende zwar die Anfechtung der Vaterschaft durch die Mutter und deren Ehemann (§ 1600d Abs. 5 BGB),[3] nicht aber die Anfechtung durch das Kind. Bei einer fristgerechten Anfechtung behauptet sich unabhängig von allen sozial-familiären Beziehungen letztlich doch die genetische Abstammung. Ist die Vaterstelle nicht besetzt, kann der Samenspender diese Position einnehmen – sei es durch Anerkennung, sei es durch gerichtliche Feststellung.[4] Davor schützt auch nicht die Ehe der Mutter mit einer Frau.[5] Der einmal begründete Status wirkt absolut und löst die sich aus dem Eltern-Kind-Verhältnis ergebenden Rechtsfolgen aus. Diese reichen von der Unterhaltspflicht über den Umgang bis hin zum Erbrecht. Sie können letztlich nur über eine (Stiefkind-)Adoption (§§ 1741, 1766a, 1754. 1755 BGB) aufgehoben werden.

Ist der Samenspender rechtlich als Vater festgestellt, folgt seine elterliche Verantwortung unmittelbar aus dem Gesetz – mit Konsequenzen, die von den Beteiligten eigentlich niemand will. Beim Unterhalt soll eine Freistellungsvereinbarung mit der Mutter diese Folgen abwenden. Es handelt sich um eine Form der Erfüllungsübernahme, durch die die Mutter zusätzlich für die den Vater treffenden Unterhaltspflichten einstehen will (§ 329 BGB). Diese Vereinbarung wirkt weit in die Zukunft. Sie gilt so lange, bis der Unterhaltsanspruch des Kindes mit dessen wirtschaftlicher Selbstständigkeit endet. Die einmal übernommene Verpflichtung kann in dieser Zeit nicht einseitig aufgekündigt werden, sondern unterliegt wie jeder schuldrechtliche Vertrag allenfalls der Anpassung nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).[6]

Auch wenn die gesetzliche Unterhaltspflicht durch die vereinbarte Freistellung nicht aufgehoben wird, ergeben sich weitere Rechtsfolgen, die sich auf das Unterhaltsverhältnis zum Kind auswirken. Abweichend von anderen Schuldrechtsverhältnissen ist es hier kein Dritter, der für die Erfüllung eintritt, sondern der im Verhältnis zum Kind ebenso unterhaltspflichtige andere Elternteil. Mit der Freistellungsvereinbarung regeln die Eltern in zulässiger Weise, wie zwischen ihnen die Pflichten und Lasten verteilt werden sollen. Die in diesem Kontext vielfach diskutierte Frage eines möglichen Unterhaltsverzichts (§ 1614 BGB) stellt sich dabei nicht. Denn eine wirksame Vereinbarung setzt voraus, dass die Übernahme von Bar- und Betreuungsunterhalt durch nur einen Elternteil den angemessenen Lebensunterhalt des Kindes nicht beeinträchtigt.[7] Das Kind hat zwar gegen beide Elternteile einen unbeschränkten Anspruch auf Leistung seines vollen Unterhalts, jedoch keinen Anspruch auf dessen Erfüllung in Form von Teilleistungen durch beide Elternteile. Folglich verändert die von einem Elternteil übernommene Verpflichtung, für Betreuung und Barunterhalt alleine aufzukommen, nicht den Inhalt des Anspruchs, sondern die Rangfolge des § 1606 BGB: Die Elternvereinbarung setzt die gesetzliche Regelvermutung einer gleichmäßigen Lastenverteilung außer Kraft. Im Innenverhältnis der Eltern entsteht eine vorrangige Pflicht des übernehmenden Elternteils, zusätzlich zur Kindesbetreuung auch für den Barunterhalt einzustehen. Von dieser einmal übernommenen Pflicht kann er sich nicht mehr nach Belieben lösen.

Der veränderte Rang beeinflusst das Unterhaltsverhältnis zum Kind. Denn solange der angemessene Lebensbedarf von der Mutter aufgebracht wird, erfüll...

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