Soll ein bereits abgeschlossenes Verfahren im Hinblick auf die Unterhaltsrechtsreform wieder aufgegriffen werden, ist zunächst danach zu differenzieren, ob der nach altem Recht ergangene Titel befristet war oder nicht.
- Im ersten Fall, wenn etwa der Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter nach § 1615l BGB auf drei Jahre befristet war, kann die Mutter – vorausgesetzt nach neuem Recht hätte sie einen über drei Jahre hinausgehenden Betreuungsunterhaltsanspruch – für die Zeit nach Fristablauf auf weitergehenden Unterhalt klagen. Dabei handelt es sich dann um eine "Erstklage" und nicht um eine Abänderungsklage.
- In den anderen Fällen ist § 36 Nr. 1 EGZPO zu beachten. Danach gilt Folgendes: Ist über den Unterhaltsanspruch vor dem 1. Januar 2008 rechtskräftig entschieden, ein vollstreckbarer Titel errichtet oder eine Unterhaltsvereinbarung getroffen worden, sind Umstände, die vor diesem Tag entstanden und durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich geworden sind, nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist.
Beispiel: V ist im Dezember 2007 rechtskräftig verurteilt worden, seiner geschiedenen, nicht erwerbstätigen Ehefrau M für die Betreuung des siebenjährigen Sohnes laufend Unterhalt zu leisten. Dabei war das Gericht entsprechend des Altersphasenmodells davon ausgegangen, die M sei zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet.
Im April 2008 erhebt V Abänderungsklage. Er beruft sich auf das neue Unterhaltsrecht und darauf, dass es in Anbetracht der bestehenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten der M ohne weiteres möglich sei, Teilzeit zu arbeiten. Die Berücksichtigung eines entsprechenden Einkommens würde seine Unterhaltslast um mehr als 10 % mindern.
Die Voraussetzungen für eine Abänderung wären nach dem Vortrag des V gem. § 36 Nr. 1 EGZPO gegeben:
Die Möglichkeit für M, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, hat bereits 2007 bestanden. Unterhaltsrechtlich wurde dieser Umstand aber erst durch § 1570 BGB n.F. erheblich. Die Einbeziehung eines entsprechenden Einkommens der M führt zudem zu einer wesentlichen Änderung der Unterhaltsverpflichtung, weil sie eine Reduzierung der Unterhaltslast von mehr als 10 % zur Folge hat. Schließlich dürfte die Abänderung der M auch zumutbar sein. Denn da sie den Titel erst kurz vor Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform erstritten hatte, konnte sich ihr Vertrauen auf den Bestand des Titels nicht verfestigen. Zu erwägen wäre jedoch, der Mutter eine gewisse Übergangszeit einzuräumen, damit sie sich auf die neue Situation einstellen kann.