BGB § 1572 § 1578b
Leitsatz
Zur Herabsetzung und Befristung nachehelichen Krankheitsunterhalts.
BGH, Urt. v. 30.3.2011 – XII ZR 63/09 (OLG Hamm, AG Minden)
1 Tatbestand:
[1] Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um den nachehelichen Unterhalt der Antragsgegnerin.
[2] Die Parteien schlossen ihre Ehe im September 1990. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Seit Oktober 2003 leben sie getrennt. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin im Dezember 2004 zugestellt worden. Der im vorliegenden Verfahren ergangene Scheidungsausspruch ist seit dem 5.2.2009 rechtskräftig.
[3] Der 1967 geborene Antragsteller ist von Beruf Bauzeichner. Nach der im Jahr 2007 eröffneten Insolvenz seines Arbeitgebers, bei dem er seit 1985 beschäftigt war, und einer anschließenden kurzzeitigen Tätigkeit als Bauleiter ist er seit September 2007 als Projektmanager in der Medizintechnik tätig und erzielt ein deutlich höheres Einkommen.
[4] Die 1969 geborene Antragsgegnerin ist gelernte Bürokauffrau und arbeitete bei einem Möbelhaus, bis Ende 1990 vollschichtig, danach in Teilzeit. 1993 erkrankte sie an einer bipolaren affektiven Psychose, weshalb sie ihre Stelle kündigte. Seither arbeitete sie von 1994 bis 1999 in sozialversicherungsfreien Beschäftigungen, seit April 1999 halbtags versicherungspflichtig in einem Sonnenstudio. Ende des Jahres 2004 endete ihre Erwerbstätigkeit. Seit Januar 2005 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
[5] Das Amtsgericht – Familiengericht – hat die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller zu einem monatlichen Unterhalt von insgesamt gerundet 708 EUR (566,42 EUR Elementarunterhalt und 140,60 EUR Altersvorsorgeunterhalt) verurteilt.
[6] Auf die Rechtsmittel beider Parteien hat das Berufungsgericht das Urteil teilweise abgeändert und den Unterhalt bis Ende 2012 auf monatlich 645 EUR, davon 129 EUR Altersvorsorgeunterhalt, festgesetzt und ab dem 1.1.2013 und befristet bis zum 31.12.2014 auf monatlich 460 EUR. Mit der – zugelassenen – Revision wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Beschränkung des Unterhalts ab 2013 und gegen die Befristung.
2 Aus den Gründen:
… [7] Die Revision hat keinen Erfolg.
I. [8] Das Berufungsgericht hat für die Entscheidung über die Herabsetzung oder Befristung nach § 1578b BGB ehebedingte Nachteile nicht feststellen können. Aus dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin ergebe sich, dass es allein auf ihre Erkrankung zurückzuführen sei, dass sie während der Ehezeit nicht durchgängig gearbeitet habe. Es könne daher nicht die Rede davon sein, dass die Antragsgegnerin ihre Arbeit fortwährend auf Wunsch des Antragstellers reduziert habe, um sich mehr um den Haushalt kümmern zu können. Dass der Antragsteller einverstanden gewesen sei, sei kein Argument, weil ihm in Anbetracht der Erkrankung nichts anderes übrig geblieben sei. Die Erkrankung als solche sei nicht durch die Ehe verursacht. Dass ihre Depressionen sich durch den Unterhaltsstreit und die Vorwürfe des Antragstellers, sie tue nicht genug für die Wiedererlangung ihrer Erwerbsfähigkeit, verstärkten, besage nicht, dass die Ehe die Ursache ihrer Erkrankung sei.
[9] Damit sei wesentlicher Gesichtspunkt für die Frage des Fortbestandes und der Dauer des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin das Ausmaß der vom Gesetz weiterhin grundsätzlich geforderten nachehelichen Verantwortung. Gerade aber unter Berücksichtigung der durch die fortdauernde Erwerbsunfähigkeit und die dauernde Unterhaltsbedürftigkeit der erst 39 Jahre alten Antragsgegnerin erscheine es unbillig, diese Belastung allein und unbegrenzt dem Antragsteller aufzuerlegen, so dass der Unterhaltsanspruch nicht dauerhaft fortbestehen könne. Auch die Dauer der Ehe von vierzehn Jahren und zwei Monaten bis zur Zustellung des Scheidungsantrags sei nicht derart lang, dass sie einen zeitlich unbegrenzten Unterhaltsanspruch rechtfertigen könne. Dass die Antragsgegnerin nach einem Wegfall des Unterhalts auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen sein werde, sei ebenfalls kein Umstand, der einer Befristung entgegenstehen könne.
[10] Bei der Frage, für welchen Zeitraum der Antragsgegnerin der Unterhaltsanspruch unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Verantwortung noch zuzubilligen sei, komme der Ehedauer besonderes Gewicht zu. Bedeutsam sei weiter die Schwere der bereits chronifizierten Erkrankung und die geringe Wahrscheinlichkeit einer Genesung. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits seit der Trennung, mithin seit mehr als fünf Jahren, Unterhalt zahle und sich der Fortbestand der Unterhaltspflicht trotz seines derzeit guten Verdienstes nicht zuletzt mit Rücksicht auf seine künftige Familienplanung als eine deutliche Belastung darstelle. Demnach sei der Unterhalt bis zum 31.12.2014 zu befristen, wobei der Antragsteller für eine Übergangszeit von vier Jahren den vollen, mit 645 EUR ermittelten eheangemessenen Unterhalt schulde und ab dem 1.1.2013 noch einen auf 460 EUR herabgesetzten Unterhalt, der es der Antragsgegner...