Einführung
"Namen sind Schall und Rauch …" (Goethe, Faust I)?
Zwei Mittedreißigjährige haben unter ihren Namen wissenschaftliche Meriten erworben, wollen diese Namen bei Eheschließung behalten, aber die Verbindung zu ihrem neugeborenen Kind dadurch deutlich machen, dass dieses beide Namen als Doppelnamen erhält. – Die 29-jährige Schantal ist nach erfolgreichem Studium und anderen Tätigkeiten an einer Referentenstelle im Frauenministerium interessiert, sieht ihren Vornamen für die Bewerbung als weniger förderlich an. – Eine Frau bringt ihre Kinder aus einer Vorehe in die neue Ehe mit, wo ihnen der Ehename gewordene Name des neuen Ehegatten erteilt wird (Einbenennung, § 1618 BGB); zwei Jahre später wollen die Kinder nach Scheitern auch dieser Ehe den Namen des Mannes, zu dem sie keinen Kontakt mehr haben, wieder loswerden. Schon diese Beispiele machen deutlich, dass das Namensrecht eine Vielzahl von Fragen aufwirft.
I. Die Vorgeschichte: unübersichtliches und widersprüchliches Namensrecht
Regelungen zum Namensrecht finden sich in verschiedenen Gesetzen, etwa im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB), im Namensänderungsgesetz (NamÄndG), im Minderheitennamensänderungsgesetz (MindNamÄndG), im Bundesvertriebenengesetz (BVFG), im Transsexuellengesetz (TSG) oder im Personenstandsgesetz (PStG). Umfangreiche Literatur und Rechtsprechung zeigen, dass das deutsche Namensrecht komplex und unübersichtlich und in Teilen auch in sich widersprüchlich ist. Trotz seines umfangreichen Regelungskanons weist es an verschiedenen Stellen Lücken und Defizite auf. So hat erst in diesem Jahr der BGH die lange strittige Frage entschieden, ob und wie einem Kind als Geburtsname auch der Name des Elternteils erteilt werden kann, der bei diesem nicht sicher nachgewiesen ist.
1. Namensänderungsgesetz
Hinsichtlich der Namen der Kinder namensverschiedener Eltern ist die Namenskontinuität seit jeher ein Zankapfel. Zum einen streben Geschwister, die wegen lückenhafter Bindungswirkung im Namensrecht unterschiedliche Geburtsnamen erhalten haben, eine einheitliche Namensführung an. Zum anderen (mit umgekehrter Begründung) beklagen namensverschiedene Eltern, dass sie für ihre Kinder nicht unterschiedliche Namen bestimmen dürfen (z.B. Tochter nach dem Vater, Sohn nach der Mutter). Die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs regeln das Namensrecht in Deutschland umfassend und – im Grundsatz – abschließend. Besteht außerhalb der Regelungen des bürgerlichen Rechts das Bedürfnis einer Namensänderung, kann diesem im Wege der öffentlich-rechtlichen Namensänderung nach dem NamÄndG abgeholfen werden. Diese Möglichkeit dient aber nur dazu, im Einzelfall mit dem bisherigen Namen verbundene Behinderungen zu beseitigen; ihr kommt insoweit Ausnahmecharakter zu. Heute erscheinen das NamÄndG i.d.F. vom 26.3.2021 (inhaltlich ohne weitere Änderung gegenüber dem einige Male novellierten NamÄndG von 1938) und seine Allg. Verwaltungsvorschrift (Namensänderung nur bei wichtigem Grund) unnötig restriktiv. Deshalb war in Fachkreisen unbestritten, dass eine umfassende Reform des Namensrechts auch die öffentlich-rechtliche Namensänderung einbeziehen sollte. Umso verwunderlicher erschien die isolierte Neufassung des NamÄndG in diesem Frühjahr. Hintergrund dieses gesetzgeberischen Aktionismus zum Ende der Wahlperiode war wohl eine Initiative des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, die Anfang des Jahres Widerhall gefunden hatte u.a. bei SpiegelOnline in einem Beitrag mit der Überschrift "Diese Nazi-Paragraphen gelten bis heute" und der folgenden Schlagzeile "In Deutschland gibt es zahlreiche Regelwerke, die im "Dritten Reich" erlassen wurden." Eines dieser verstörenden Regelwerke sei das Namensänderungsgesetz. In diesem Zusammenhang erwähnt wird auch die Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes vom 17.8.1938, die darauf abzielte, "jüdische Deutsche" anhand ihrer Vornamen kenntlich zu machen: Sofern sie nicht ohnehin bereits einen jüdischen Vornamen trugen, der "im deutschen Volk als typisch angesehen" wurde, mussten sie vom Januar 1939 an zusätzlich den Vornamen "Israel" oder "Sara" annehmen. Die vorstehenden Schlagzeilen suggerierten, dass die "antisemitischen Schikanen" Bestandteil des Namensänderungsgesetzes geblieben waren. Tatsächlich wurde die Verordnung bereits 1945 durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht aufgehoben. Zu der Frage, ob das Namensänderungsgesetz mit den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates vereinbar ist, hatte das BVerwG in einer Entscheidung vom 7.3.1958 festgestellt, dass das Gesetz w...