Nun wird es allerdings auch in Zukunft Situationen geben, in denen trotz einer bestehenden formalisierten Partnerschaft eine Zeugung außerhalb derselben gezielt oder ungewollt stattfindet oder Zeugungshilfe aus welchen Gründen auch immer ohne die notwendigen formalisierten Erklärungen der Beteiligten geschieht. In diesen Situationen sollte als Konsequenz aus den vorangegangenen Überlegungen jedenfalls grundsätzlich die genetisch/biologische Verbindung den Vorrang haben, denn sie ist unabhängig vom Willen der Beteiligten, kausal für die Entstehung des Kindes, beständig und spielt im Rahmen des Selbstverständnisses eines Individuums eine bedeutende Rolle. Der nicht formalisierte oder nicht konsentierte Wunsch nach Verantwortungsübernahme muss demgegenüber – jedenfalls im Prinzip – zurücktreten.
Mit dieser Entscheidung für den außerhalb konsentierter Verantwortungsübernahme bestehenden grundsätzlichen Vorrang des genetisch/biologischen Kriteriums sind allerdings noch nicht alle Probleme der Zuordnung gelöst. So stellt sich zum einen die praktische Frage der Erkennbarkeit und Nachweisbarkeit dieses Kriteriums bei der Geburt eines Kindes. Ein obligatorischer genetischer Test sollte aus den bereits oben genannten Gründen nicht vorgesehen werden. Also wird das Gesetz weiterhin Wahrscheinlichkeiten zugrunde legen müssen, wie sie schon bisher in den §§ 1591, 1592 Nr. 1 BGB vorgesehen sind. Das heißt also, außerhalb der formalisierten und konsentierten Wunschelternschaft wird auch in einem künftigen Recht davon auszugehen sein, dass in der Mehrzahl der Fälle die Person, die das Kind zur Welt bringt, auch genetisch Elternteil des Kindes und dass ihr Ehepartner (eventuell auch der Lebenspartner) der weitere Elternteil ist. Soweit kein Ehepartner vorhanden ist, wird i.d.R. derjenige die Elternschaft anerkennen, der tatsächlich der genetische Erzeuger des Kindes ist. Diese Wahrscheinlichkeitszuordnung der lex lata sollte also beibehalten werden.
Diskussionsbedürftig bleibt aber zum anderen, ob de lege ferenda auch eine vermutete Wahrscheinlichkeit der Verantwortungsübernahme (also die intentionale Elternschaft) zur Vereinfachung der originären Zuordnung der rechtlichen Eltern zugrunde gelegt werden sollte. Das geltende Recht sieht dies begrenzt – wie bereits dargelegt – in § 1592 Nr. 2 BGB vor. Auch in einem künftigen Recht könnte das voluntative Element der rechtlichen Elternschaft zur Vereinfachung der rechtlichen Zuordnung Berücksichtigung finden. Da jedoch die erörterten Gewährleistungen für eine bewusste und gewollte Verantwortungsübernahme und einen entsprechenden Verzicht gerade nicht vorliegen, muss diese Zuordnung wegen des Vorrangs der genetisch-biologischen Bindung unter bestimmten Voraussetzungen durch Anfechtung korrigierbar sein. Das bedeutet: Die Zuordnung sollte durch Anfechtung beseitigt und dem genetisch/biologischen Kriterium wieder sein grundsätzlicher Vorrang eingeräumt werden können, wenn es an den eine Sicherheit gewährenden Faktoren fehlt. Grundsätzlich aber sollte auch die Wahrscheinlichkeit der Verantwortungsübernahme ein Zuordnungskriterium sein.
Auf der Sekundärebene der Korrekturmöglichkeiten ist sodann Raum für weitere Gesichtspunkte – in erster Linie für das Kindeswohl, insbesondere die psychologischen Aspekte eines "Elternwechsels" und die Rolle der bestehenden Bindungen. Wichtig mag auch das Verhalten eines – nunmehr – zur Verantwortungsübernahme bereiten genetisch/biologischen Elternteils bzw. eines zunächst verantwortungsbereiten, nunmehr sich aber lösen Wollenden sein. Dabei ist besonderes Augenmerk auf Treuwidrigkeiten und Rechtsmissbrauch zu richten. Insofern muss die Konzeption der Anfechtung neu überdacht werden. Die Regelungen des geltenden Rechts sind einerseits zu weitgehend, andererseits zu eng. So kann beispielsweise eine Mutter den sozialen Vater ohne Rücksicht auf das Kindeswohl aus dem Leben des Kindes weitgehend verbannen, andererseits kann unter Umständen ein genetischer Elternteil, der von vorneherein an der Übernahme der Elternverantwortung interessiert war, nicht in eine rechtliche Elternstellung einrücken.
Geht man – wie hier vorgeschlagen – von einer an Wahrscheinlichkeiten sowohl der genetisch/biologischen Verbindung als auch der Verantwortungsübernahme (mit Korrekturmöglichkeiten) orientierten künftigen gesetzlichen Regelung aus, so ist diese jedenfalls bezüglich der Verantwortungsübernahme grundsätzlich geschlechtsunabhängig. Eine generelle Zuordnungsregelung könnte daher ohne Probleme auch die Elternschaft der mit der gebärenden Person verheirateten oder der die Elternschaft anerkennenden Frau umfassen. Die Positionen könnten also geschlechtsneutral formuliert werden (s.u.).