Zunächst einmal hat sich der Fachanwalt für Familienrecht zu vergegenwärtigen, dass die Darlegungslast im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes keine Einbahnstraße ist. Vielmehr sind die Erfordernisse des jeweiligen Vortrages in vielfältiger Hinsicht miteinander verwoben. Die höchstrichterliche Rechtsprechung spricht vom "Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag". Allerdings darf die im Ausgangspunkt aufgrund des Beibringungsgrundsatzes im Fokus stehende Darlegungslast nicht überspannt werden. In der Praxis neigen Instanzgerichte indes mitunter dazu, die Darlegungslast zu überspannen, indem zu weitgehende Anforderungen an die Substantiierung gestellt werden. Das verletzt indes das Grundrecht der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und ist auch mit der aus den verfassungsrechtlich geschützten Rechten auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz folgenden Verpflichtung zu einer fairen Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten nicht zu vereinbaren.
Im Einzelnen lassen sich die wichtigsten Grundsätze wie folgt zusammenfassen:
Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen. Je detaillierter der Vortrag der darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast des Gegners. Liegt danach hinreichender Gegenvortrag der nicht darlegungsbelasteten Partei vor, ist es wiederum Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei, ihren Sachvortrag zu ergänzen und näher aufzugliedern.
Konkret bedeutet das:
Im ersten Schritt ist die darlegungspflichtige Partei nicht verpflichtet, den streitigen Lebensvorgang in allen Einzelheiten darzustellen, etwa, wann, wo und mit wem eine bestimmte Vereinbarung getroffen wurde. Vielmehr genügt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zunächst die Wiedergabe der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben.
Damit gilt im zweiten Schritt:
Keine Erklärung schuldet der Gegner zu unschlüssigem, d.h. die Rechtsbehauptung nicht stützendem Tatsachenvortrag.
Hat der Kläger seine Tatsachenbehauptung substantiiert aufgestellt, muss der Beklagte sie auch substantiiert bestreiten, das heißt, er muss konkreten Gegenvortrag leisten. Tut er das nicht, gilt die klägerische Behauptung als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Der Beklagte ist allerdings nicht verpflichtet, zur Substantiierung ein Gegengutachten einzuholen, wenn der Kläger seine Behauptung mit einem Parteigutachten untermauert.
Behauptet der Kläger dagegen lediglich das Vorliegen der Tatsache ohne Substanz, kann der Beklagte sich (zunächst) auf ein einfaches Bestreiten zurückziehen.
Im dritten Schritt ist es im letztgenannten Fall wiederum Aufgabe des Klägers, nunmehr seinen Tatsachenvortrag näher zu substantiieren. Erfüllt er diese Substantiierungslast, muss wiederum der Gegner – vorbehaltlich eines zulässigen Bestreitens mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO – seinerseits eine substantiierte Sachverhaltsdarstellung abgeben.
II. Entwicklung der sekundären Darlegungslast in typisierten Fallkonstellationen (Wahrnehmungssphären der Beteiligten, Beweislast für Negativtatsachen)
Diese Grundsätze erfahren aber eine Einschränkung, wenn der Kläger keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Beklagte alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesem Fall trifft den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen. Genügt er seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
Die beiden wichtigsten Grundkonstellationen sind:
Die an sich darlegungspflichtige Partei steht außerhalb des Geschehensablaufs, während dem Gegner der Vortrag unschwer möglich und zumutbar ist.
Das Gesetz macht den Anspruch vom Vorliegen sog. negativer Tatsachen abhängig. Hier genügt es, wenn der Kläger dies schlicht behauptet. Es ist dann Sache des Beklagten, die entsprechende positive Tatsache darzulegen. Gelingt ihm dies, hat der beweisbelastet bleibende Kläger die Behauptung zu widerlegen, um zu obsiegen.
In beiden Konstellationen entscheidet sich der Ausgang des jeweiligen Rechtsstreits in aller Regel auf der Ebene der sekundären Darlegungslast: Gelingt dem Gegner hier kein substantiier...