ZPO § 119 Abs. 1 S. 1, RVG § 15 Abs. 2
Leitsatz
Die für eine Beiordnung erforderliche Vertretungsbereitschaft eines Rechtsanwalts liegt nur dann vor, wenn diese auch das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren erfasst. Eine solche Bereitschaft ist aus der Vollmachtsurkunde dann nicht ersichtlich, wenn sich aus dieser Einschränkungen ergeben.
(LS d. Anmerkenden)
BAG, Beschl. v. 18.4.2024 – 4 AZB 22/23 (LAG Bremen, ArbG Bremen)
1 Aus den Gründen
Gründe: [1] I. Der Kläger begehrt die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht. In diesem stritten die Parteien über einen Zahlungsanspruch und über die Erteilung und Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere.
[2] Mit Klageschrift vom 13.10.2022 beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Am 1.11.2022 erging gegen die Beklagte Versäumnisurteil. Der Kläger reichte innerhalb einer vom Arbeitsgericht nachgelassenen Frist am 2.11.2022 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst verschiedener Belege sowie eine Vollmachtsurkunde seines Prozessbevollmächtigten bei Gericht ein. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
Zitat
“Herrn Rechtsanwalt M B … wird hiermit … Vollmacht erteilt für die Beantragung von PKH/VKH in meiner o.b. Angelegenheit.
Der Auftrag umfasst lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.“
[3] Die Beklagte legte innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch gegen das ihr am 4.11.2022 zugestellte Versäumnisurteil ein.
[4] Das Arbeitsgericht wies mit Schreiben vom 7.11.2022 den Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass erwogen werde, den Antrag auf Beiordnung zurückzuweisen. Die vorgelegte Prozessvollmacht umfasse lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.
[5] Hierauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass der Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO keine gesetzliche Verpflichtung des beigeordneten Rechtsanwalts für das Überprüfungsverfahren zu entnehmen sei.
[6] Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen. Der sofortigen Beschwerde des Klägers hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
[7] II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Beschwerde ist nicht begründet. Die Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte zu Recht.
[8] 1. Gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
[9] 2. Die erforderliche Vertretungsbereitschaft eines Rechtsanwalts liegt – wie das Beschwerdegericht zutreffend entschieden hat – nur dann vor, wenn diese auch das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren erfasst.
[10] a) Der Umfang einer Beiordnung erstreckt sich grundsätzlich auf den Rechtszug nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO (vgl. BGH v. 17.1.2018 – XII ZB 248/16 Rn 19, BGHZ 217, 206).
[11] aa) Der Begriff des Rechtszugs ist im Rahmen des § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO im kostenrechtlichen Sinne zu verstehen. Verursacht ein Verfahrensabschnitt keine besonderen Kosten, ist er Teil eines einheitlichen Rechtszugs (vgl. BGH v. 17.1.2018 – XII ZB 248/16 Rn 19, BGHZ 217, 206).
[12] bb) Danach ist das Prozesskostenhilfeverfahren, welches das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren einschließt (BGH v. 8.12.2010 – XII ZB 151/10 Rn 28), Teil des Rechtszugs (ebenso LAG Sachsen-Anhalt v. 10.8.2023 – 5 Ta 65/22, unter B II 2.2 der Gründe; LAG Köln v. 25.7.2019 – 9 Ta 101/19, unter II 2 a cc der Gründe).
[13] (1) Das Prozesskostenhilfeverfahren löst neben den Rechtsanwaltsgebühren für das Hauptsacheverfahren keine gesonderte Rechtsanwaltsvergütung aus. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, stellen hierbei eine Angelegenheit dar (§ 16 Nr. 2 RVG).
[14] Der Einwand des Beschwerdeführers, auch dem beauftragten Rechtsanwalt könne eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG erwachsen, verfängt nicht. Diese Vorschrift regelt eine andere Fallgestaltung. Der Anwendungsbereich von Nr. 3335 VV RVG ist nur dann eröffnet, wenn der Rechtsanwalt nicht zugleich als Prozessbevollmächtigter beauftragt und in diesem Verfahren (noch) nicht tätig geworden ist (HK-RVG...