Ingeborg Rakete-Dombek
In Familiensachen ist – sofern das OLG eine Revision gegen seine Entscheidung nicht ausdrücklich zugelassen hat – eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht möglich. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gem. § 26 Nr. 9 EGZPO ausgeschlossen, wobei dieser Ausschluss zunächst lediglich befristet bis zum 1.1.2010 galt. Wohlgemerkt: Bei dieser Vorschrift handelt es sich (immer noch) um eine Übergangsvorschrift aus der Reform der ZPO vom 27.7.2001, die bereits einmal verlängert wurde. Die Übergangsregelung war Büttner, FamRZ 2002, 801, bereits eine Glosse wert. Er prophezeite darin eine Verlängerung bis zum 31.12.2011.
Das Auslaufen der Frist hätte bedeutet, dass in Verfahren, die vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurden, ab dem 1.1.2010 die Nichtzulassungsbeschwerde möglich gewesen wäre. Es hätte sich dann ein kleines Zeitfenster geöffnet, in dem der BGH über Nichtzulassungsbeschwerden hätte entscheiden müssen. Dem OLG, das über sich nur den "blauen Himmel" weiß – es sei denn, es verdunkelt ihn durch die Zulassung der Revision selbst –, hätte man eine Nichtzulassungsbeschwerde in Aussicht stellen können. Wer weiß, welchen Einfluss dies – zumindest vorübergehend – auf die Entscheidungen gehabt hätte. Die Hoffnung, der Gesetzgeber habe das Auslaufen der Frist in Altsachen übersehen, wurde enttäuscht. Allerdings auch die Hoffnung, das FamFG werde eine Nichtzulassungsbeschwerde für Neusachen endlich einführen oder wenigstens sachlich begründen, dass der BGH einer Entlastung weiterhin auch bedarf.
Die Lücke wurde zwar spät, aber noch rechtzeitig bemerkt und durch Art. 9 Abs. 3 des am 23.4.2009 in 2. und 3. Lesung verabschiedeten Regierungsentwurfs mit den vom Rechtsausschuss beschlossenen Änderungen (BT-Drucks 16/12717) eines "Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften" (BT-Drucks 16/11385) geschlossen. Die Übergangsfrist wurde nun bis zum 1.1.2020 verlängert. Angeblich habe die "gerichtliche Praxis um Klarstellung gebeten", wer auch immer damit gemeint sein mag.
Die Vorschrift soll nicht verfassungswidrig sein. Der XII. Zivilsenat des BGH (FamRZ 2005, 1902) konnte eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG und einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip jedenfalls nicht feststellen.
Der Gleichheitsgrundsatz sei nur dann verletzt, wenn sich ein sachlich einleuchtender Grund für diese gesetzliche Differenzierung nicht finden lasse. Die Übergangsregelung soll für sich einen "einleuchtenden Grund" in Anspruch nehmen können. Mit dieser Regelung sollte nämlich damals einer (vorübergehenden?) Überlastung des BGH entgegengewirkt werden (BT-Drucks 14/4722, S. 126). Ob diese Begründung heute noch trägt?
Die Familiensachen stehen damit weiter vor der verschlossenen Tür des BGH. Es bleibt nur, die Zulassung der Revision in geeigneten Fällen, die es im neuen Unterhaltsrecht derzeit ja reichlich geben soll und angesichts der bevorstehenden weiteren Reformen geben wird, zu beantragen. Nur wenige BGH-Urteile, die helfen könnten, Rechtssicherheit zu schaffen, stehen zu erwarten und – es wird dauern!
Die Reparaturgesetze im Zusammenhang mit den kommenden Reformen haben wohl noch kein Ende. Das "Internetversteigerungsgesetz" (RegE vom 18.2.2009) ist am 18.6.2009 vom Bundestag beschlossen worden. Vielleicht sind auch dort weitere Reparaturen enthalten, selbst wenn nichts im Titel dieses Gesetzes darauf hindeutet. Diese äußerst behindernde Verdeckung von weiteren Gesetzesänderungen an noch nicht geltenden Gesetzen in völlig sachfremden Gesetzen ist weiterhin zu enttarnen.
Ingeborg Rakete-Dombek, Rechtsanwältin und Notarin, Fachanwältin für Familienrecht, Berlin