Die Grundnorm des § 155 ist § 61a ArbGG für Kündigungsschutzprozesse nachempfunden. Sie ordnet zweierlei an: Vorrang von Kindschaftssachen vor anderen Verfahren und Verfahrensbeschleunigung. Beide Gebote sind "in jeder Lage des Verfahrens" und in allen Rechtsinstanzen zu beachten – insbesondere bei der Anberaumung von Terminen, der Fristsetzung für Beteiligte und Gutachter oder der Bekanntgabe von Entscheidungen. Ungeregelt geblieben sind Vorrangfragen innerhalb der Kindschaftssachen, etwa je nach Art des Verfahrens, Alter des Kindes oder bisheriger Verfahrensdauer. Die Lücke kann und sollte durch richterlichen common sense, durch ein Fortdenken des Grundgedankens aus § 155 Abs. 1 zu schließen sein. Weiterhin fehlt eine Klarstellung, dass Vorrang- und vor allem Beschleunigungsgebot nicht nur für Richter, sondern – wenn die Gebote Effekt haben sollen – auch für die gesamte Justizorganisation gelten müssen: Schnelle Terminierung und Entscheidung nützen nichts, wenn sich Geschäftsstelle und Schreibdienste als Bermuda-Dreieck für wertvolle Zeit erweisen.
Schließlich bleibt auch unklar, ob für die allgemeine Vorschrift des FamFG für die Aussetzung von Verfahren, § 21, in Kindschaftssachen noch Raum ist. Die Entwurfsbegründung zu § 21 nennt als Beispiel, wo eine Aussetzung von der Sache her nicht in Betracht kommt, nur Verfahren zum Schutz des Kindes bei Gefährdungen. Von anderer Seite wird ein kompletter Ausschluss von § 21 für Kindschaftssachen gefordert.
Zu Zielkonflikten innerhalb des neuen Rechts wird es auch bei anderen Fragen kommen. Hinsichtlich der Einholung von (erfahrungsgemäß zeitraubenden) Sachverständigengutachten hat der Gesetzgeber einen Ausgleich in § 163 S. 1 versucht – das Familiengericht hat dem Gutachter eine Frist zu setzen. Das kann naturgemäß nur funktionieren bei vorheriger Absprache zwischen Gericht und Sachverständigem.
Eine weitere, dem richterlichen Ermessen überantwortete Konfliktsituation besteht im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit, wenn ein Elternteil einseitig und unerlaubt den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes verlagert hat: Nach Art. 154 "kann" das nunmehr zuständige Gericht das Verfahren an das Gericht des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes verweisen. Das kostet naturgemäß Zeit – dem Gericht obliegt die verantwortungsvolle Abwägung zwischen generalpräventiver Abwehr von Gerichtsstandsmanipulationen einerseits, dem kindlichen Beschleunigungsinteresse andererseits. Eine Verpflichtung zur Abgabe, gegebenenfalls mit klaren Zeitgrenzen, hätte wohl eher auf der Linie des HKÜ gelegen. Höchst bedenklich erscheint die auf Vorschlag des Rechtsausschusses eingefügte Ausnahme von dem Verweisungsrecht, wenn die eigenmächtig vollzogene Aufenthaltsänderung auch "zum Schutze des Kindes oder des betreuenden Elternteils erforderlich war" (§ 154 S. 2). Solche Situationen kommen vor – ihnen hätte aber im Rahmen des richterlichen Ermessens nach § 154 S. 1 Rechnung getragen werden können. So aber bietet das Gesetz dem eigenmächtigen (= entführenden) Elternteil ein wohlfeiles Rechtfertigungsargument, das voraussichtlich routinemäßig vorgebracht werden wird. Zeitraubende Streitigkeiten und Ermittlungen schon auf der Ebene der örtlichen Zuständigkeit sind vorprogrammiert – jedenfalls die Verfahrensbeschleunigung bleibt auf der Strecke.
Als weiteres, aber sicherlich nicht letztes Beispiel für mögliche Konflikte zwischen Beschleunigungsgebot und anderen Zielen des FamFG möchte ich die Förderung einvernehmlicher Lösungen nennen. Hierfür bedarf es einer "Auszeit" im Verfahren. Der Entwurf versucht dem Verzögerungsproblem in mehrfacher Hinsicht Rechnung zu tragen, etwa durch Unanfechtbarkeit einer Beratungsanordnung (§ 156 Abs. 1 S. 4), durch verstärkten Einsatz einstweiliger Anordnungen (§§ 156 Abs. 3, 157 Abs. 3) oder durch Forcierung der Konsenserreichung bei Umgangsproblemen (§ 165 Abs. 2–5). Die Balance zwischen Konsensförderung und (u.U. gezielter) Verfahrensverzögerung wird aber im Wesentlichen in richterlicher Verantwortung in jedem Einzelfall zu finden sein.
Während in den soeben besprochenen Konfliktfällen ein Kompromiss zwischen divergierenden Zielen des FamFG gefunden werden muss, sind jedenfalls als unakzeptabel zurückzuweisen tendenzielle Äußerungen in der Entwurfsbegründung wie in den parlamentarischen Gremien, die auf eine Aufweichung des Beschleunigungsgebots schon dem Grundsatz nach abzielen. So warnt die Entwurfsbegründung vor einer "schematischen Behandlung" des Beschleunigungsgebots – dieses werde durch das Kindeswohl geprägt und begrenzt. Auch Zuwarten, Verzicht auf frühe Terminierung oder auf zeitaufwändige Verfahrensschritte könnten im Einzelfall legitim sein. Darauf kann man nur erwidern: Richtig, aber – wehret den Anfängen! Zum Zuwarten braucht die Praxis keine Ermunterung, wohl aber zur Beschleunigung. Auf die Spitze getrieben wird diese Tendenz durch die im Rahmen der Rechtsausschuss-Beratungen zum KiwoMaG geäußerte Formel von einem "Zu...