Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 150/2008 vom 31.7.2008
Einführung
Der u.a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich erneut mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem zum 1. Januar 2008 geänderten Unterhaltsrecht zu befassen. In Rechtsprechung und Literatur war noch weitgehend ungeklärt, wie der Unterhaltsbedarf der geschiedenen und der neuen Ehefrau zu bemessen ist und ob sich die Ansprüche wechselseitig zur Höhe beeinflussen. Zum 1. Januar 2008 ist durch § 1609 BGB auch der Rang der beiden Unterhaltsansprüche geändert worden, was sich immer dann auswirkt, wenn der Unterhaltspflichtige unter Wahrung des ihm verbleibenden Selbstbehalts (hier: 1.000 EUR) nicht alle Ansprüche voll befriedigen kann.
Der 1949 geborene Kläger und die 1948 geborene Beklagte hatten 1978 die Ehe geschlossen, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Nach Trennung im Mai 2002 wurde die Ehe im April 2005 rechtskräftig geschieden. Zuvor hatten die Parteien im Scheidungsverbundverfahren einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet hatte, an die Beklagte, die seit 1992 vollschichtig als Verkäuferin arbeitete und eigene Einkünfte von rd. 1.175 EUR zur Verfügung hatte, einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 600 EUR zu zahlen. Der Kläger, der nach wie vor als Lehrer mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe A 12 tätig ist, begehrt den Wegfall seiner Unterhaltspflicht für die Zeit ab Oktober 2005 und Rückzahlung der seit Rechtshängigkeit des Verfahrens gezahlten Unterhaltsbeträge. Er beruft sich darauf, im Oktober 2005 wieder geheiratet zu haben und die bereits am 1.12.2003 geborene Tochter seitdem zu unterhalten.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau teilweise herabgesetzt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
1. Zur Bedarfsbemessung
Bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der geschiedenen und der neuen Ehefrau des Beklagten nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) ist der BGH von seiner neueren Rechtsprechung ausgegangen, wonach nicht nur ein späterer Einkommensrückgang, sondern auch ein späteres Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 6.2.2008 – XII ZR 14/06 – FamRZ 2008, 968). Eine Grenze für diese Berücksichtigung ergibt sich erst in Fällen unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhaltens, was weder beim Hinzutreten später geborener Kinder noch bei Heirat einer neuen Ehefrau der Fall ist.
Wenn sich somit auch der Unterhaltsbedarf einer geschiedenen und einer neuen Ehefrau gegenseitig beeinflussen, ist der jeweilige Bedarf aus einer Drittelung des vorhandenen Einkommens zu ermitteln. Ist nur ein unterhaltsberechtigter Ehegatte vorhanden, ergibt sich dessen Bedarf aus einer Halbteilung des vorhandenen Einkommens. Dem Halbteilungsgrundsatz kann aber nicht entnommen werden, dass dem Unterhaltspflichtigen stets und unabhängig von der Zahl der Unterhaltsberechtigten immer die Hälfte seines Einkommens verbleiben muss. Diesem Grundsatz ist vielmehr lediglich zu entnehmen, dass dem Unterhaltspflichtigen stets so viel verbleiben muss, wie ein Unterhaltsberechtigter durch eigene Einkünfte und den ergänzenden Unterhalt zur Verfügung hat. Bei nur einem unterhaltsberechtigten Ehegatten ist das die Hälfte, bei einem früheren und einem neuen Ehegatten ein Drittel.
Der BGH hat den Fall zugleich zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zur Behandlung des Splittingvorteils aus der neuen Ehe zu ändern. Nach der zum früheren Recht ergangenen Rechtsprechung des BVerfG und des BGH musste der Splittingvorteil stets der neuen Ehe verbleiben. Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau musste deswegen auf der Grundlage eines fiktiven und geringeren – weil nach der Grundtabelle zu versteuernden – Einkommens errechnet werden. Weil sich nunmehr der Unterhaltsbedarf der geschiedenen und der neuen Ehefrau wechselseitig beeinflussen, konnte der BGH diese Rechtsprechung aufgeben. Allerdings darf ein geschiedener Ehegatte nicht mehr Unterhalt erhalten, als ihm ohne Einbeziehung des Splittingvorteils zustünde, wenn er allein unterhaltsberechtigt wäre.
2. Zum Rang der Unterhaltsansprüche
Das OLG hatte die geschiedene und die neue Ehefrau des Unterhaltspflichtigen schon nach dem für Unterhaltsansprüche bis Ende 2007 geltenden früheren Unterhaltsrecht (§ 1582 BGB a.F.) als gleichrangig angesehen. Dies hat der BGH als rechtsfehlerhaft gerügt. Der Rang der Unterhaltsansprüche mehrerer Ehegatten war nach dem bis Ende 2007 geltenden früheren Unterhaltsrecht vornehmlich durch den Prioritätsgedanken bestimmt. Nach der Intention des Gesetzes musste sich ein neuer Ehegatte auf die schon bestehenden Unterhaltspflichten einrichten und konnte im Mangelfall nur den Unterhalt bekommen, der dem Unterhaltspflichtigen nach Erfüllung der Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehefrau unter Wahrung seines eigenen Selbstbehalts z...