Leitsatz

Gegenstand des Berufungsverfahrens war der Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Zahlung nachehelichen Unterhalts. Zentrales Problem war die Unterhaltskonkurrenz der geschiedenen Ehefrau und der neuen Ehefrau des Antragstellers, der seit April 2008 arbeitslos war. Das erstinstanzliche Gericht hat einen Anspruch der Antragsgegnerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts verneint. Das gegen das erstinstanzliche Urteil von ihr eingelegte Rechtsmittel führte zu einer Abänderung des Urteils insoweit, als ihr Aufstockungsunterhalt i.H.v. 150,00 EUR monatlich ab Januar 2007 zugesprochen wurde.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG wies zunächst darauf hin, dass bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs eine zeitliche Zäsur zum 1.1.2008 mit Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts zu machen sei. Mit dem neuen Unterhaltsrecht sei die grundsätzliche Gleichrangigkeit zwischen erster (geschiedener) und zweiter (neuer) Ehefrau des Unterhaltspflichtigen normiert, was entsprechend der neueren BGH-Rechtsprechung die Dreiteilung des Gesamteinkommens bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs sowie eine (fiktive) Einkommenszuweisung aufseiten der nicht berufstätigen neuen Ehefrau zur Folge habe (vgl. BGH - 12. Zivilsenat, Urt. v. 18.11.2009 - XII ZR 65/09, Quelle: juris online).

Im Hinblick auf die vorliegende Unterhaltskonkurrenz von geschiedenem und neuem Ehegatten sei vor allem bestehenden gesetzlichen Wertungen Rechnung zu tragen, dass die Rollenvereilung der zweiten Ehe im Fall des Zusammentreffens mit Ansprüchen auf Geschiedenenunterhalt nicht ausschlaggebend sein dürfe. Dass es bei der Unterhaltskonkurrenz von geschiedenem und neuem Ehegatten nicht auf den dem neuen Ehegatten zustehenden Familienunterhalt ankomme, sei bereits in § 1609 Nr. 2 BGB und § 1582 BGB a.F. geregelt worden. Schon nach § 1582 BGB a.F. sei im Rahmen des Vergleichs der beiden Unterhaltsansprüche aus erster und zweiter Ehe beim neuen Ehegatten nicht auf den Familienunterhalt abzustellen, sondern darauf, ob der neue Ehegatte bei entsprechender Anwendung der §§ 1569 bis 1579, § 1576 und des § 1577 Abs. 1 BGB unterhaltsberechtigt wäre. Hintergrund dieser Regelung sei gewesen, dass der Gesetzgeber es für unbillig gehalten habe, allein den geschiedenen Ehegatten auf eine Erwerbstätigkeit zu verweisen. Es müsse vielmehr erwartet werden, dass der Ehegatte des Verpflichteten seine Möglichkeit in gleichem Maße ausschöpfe, wie es dem Geschiedenen obliege. An dieser Wertung, an deren Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestünden, habe das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21.12.2007 festgehalten. Dies zeige sich daran, dass es nach § 1609 Nr. 2 BGB im Konkurrenzfall ebenfalls nicht darauf ankomme, ob dem ein Kind betreuenden neuen Ehegatten ein Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB zustehe. Auch hier sei stattdessen auf die hypothetische Betrachtung abzustellen, ob der neue Gatte im Fall einer Scheidung wegen Kinderbetreuung unterhaltsberechtigt wäre.

Zu der Arbeitslosigkeit des Antragstellers seit April 2008 vertrat das OLG die Auffassung, für eine Übergangsphase sei ihm als Einkommen nur das von ihm bezogene Arbeitslosengeld zuzurechnen. Diese Phase ende jedoch mit dem Monat Dezember 2008. Danach sei dem Antragssteller ein fiktives Erwerbseinkommen zuzurechnen, zumal er nicht einmal ansatzweise dargelegt, geschweige denn belegt habe, dass er seit Eintritt seiner Arbeitslosigkeit ausreichende qualitative Bewerbungsbemühungen unternommen habe, um eine neue Arbeitsstelle zu finden. Die berufliche Qualifikation des Antragstellers, der zuletzt nach eigenen Angaben über ein Nettoerwerbseinkommen von rund 3.830,00 verfügt habe, lege die Annahme nahe, dass er bei gehöriger Anstrengung eine adäquate Anstellung hätte finden können. Das OLG rechnete ihm daher ab Januar 2009 ein fiktives erzielbares Erwerbseinkommen von 3.000,00 EUR monatlich zu.

 

Hinweis

Zwischenzeitlich hat das BVerfG die Rechtsprechung des BGH zum nachehelichen Unterhalt für verfassungswidrig erklärt (Urt. v. 25.1.2011 zum Az. 1 BvR 918/10). Die zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB entwickelte Rechtsprechung zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" unter Anwendung der sog. Dreiteilungsmethode löse sich von dem Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts und ersetze es durch ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreite diese Rechtsprechung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und verletze Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip.

 

Link zur Entscheidung

OLG Köln, Urteil vom 22.12.2009, 4 UF 79/09

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