Leitsatz
Ist der Unterhaltspflichtige seinem geschiedenen Ehegatten ggü. zum Unterhalt verpflichtet und schuldet er auch einem neuen Ehegatten Familienunterhalt, stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise der Anspruch auf Familienunterhalt bei der Bemessung der Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten zu berücksichtigen ist.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Abänderung der durch Urteil des AG vom 21.8.2007 titulierten Verpflichtung des Klägers, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt von 607,00 EUR monatlich zu zahlen. Ihre kinderlose Ehe wurde im Jahre 1975 geschlossen und im Jahre 2003 geschieden. Die 1956 geborene Beklagte war ab dem Jahre 1978 Hausfrau. Seit der Trennung der Parteien im Jahre 2002 arbeitete sie teilschichtig als Reinigungskraft. Der 1957 geborene Kläger, von Beruf Chemieingenieur, heiratete im Jahre 2004 erneut. Aus der Ehe ging ein im Februar 2005 geborener Sohn hervor. Außerdem adoptierte der Kläger im Jahre 2006 den 1997 geborenen Sohn seiner zweiten Ehefrau, die nicht erwerbstätig war. Im Jahre 2005 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte monatlichen nachehelichen Unterhalt von 618,00 EUR zu zahlen. Im Jahre 2007 reduzierte das FamG im Rahmen eines Abänderungsverfahrens den Unterhalt, zuletzt auf monatlich 607,00 EUR ab Januar 2008.
In dem vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger erneut die Herabsetzung des Unterhalts unter Berufung auf die seit dem 01.01.2008 geänderte Rechtslage. Das FamG reduzierte den Unterhalt ab dem 16.4.2008 auf monatlich 290,00 EUR, lehnte eine Befristung jedoch ab.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Berufung, die sich als nicht erfolgreich erwies.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Abänderung des Vortitels über das in dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Maß hinaus zu.
Zunächst setzte das OLG aufseiten der Beklagten auch weiterhin ein "teilweise fiktives" Nettoeinkommen aus vollschichtiger Berufstätigkeit i.H.v. monatlich 936,00 EUR an. Weder der Kläger noch die Beklagte hätten Gründe dargelegt, die - in Abweichung vom Vortitel - eine Erhöhung bzw. Reduzierung dieses Einkommens rechtfertigen könnte.
Selbst wenn die Beklagte - was nicht geschehen sei - hier eine nachträgliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes schlüssig dargetan hätte, ergäbe sich kein Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 BGB. Aufgrund der Bindungswirkungen des Vortitels könne eine Krankheit erst von Belang sein, soweit sie zeitlich nach der letzten mündlichen Verhandlung im Vorverfahren aufgetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt komme als Anschlusstatbestand nur der Aufstockungsunterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht. Der Anschlusstatbestand scheide aber aus, wenn und soweit die Erkrankung zu einem Zeitpunkt auftrete, zu dem bereits eine nachhaltige Sicherung des Unterhaltsanspruchs eingetreten sei.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 30.7.2008 - XII ZR 177/06 - in FamRZ 2008, 1911; Urt. v. 1.10.2008 - XII ZR 62/07, FamRZ 2009, 23) sei der Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten bereits bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen. Das Einkommen des Klägers sei unter Einbeziehung des Splittingvorteils einzustellen, weil durch die Zusammenrechnung der Einkünfte und die Dreiteilung der Splittingvorteil im Ergebnis lediglich die Kürzung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten teilweise zurücknehme. Da dem geschiedenen Ehegatten kein höherer Unterhaltsanspruch zugesprochen werden dürfe, als er ihn ohne die neue Ehe des Schuldners hätte, sei eine überschlägige Kontrollberechnung durchzuführen. Dabei sei der Unterhaltsanspruch des Schuldners ohne den Ehegattensplittingvorteil und den Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten zu berechnen. Der neue Ehegatte sei in Bezug auf seine Erwerbsobliegenheit nicht anders zu behandeln, als ein geschiedener Ehegatte, für den der Grundsatz der Eigenverantwortung gemäß § 1569 BGB Anwendung finde. Dies habe hier zur Konsequenz, dass dem neuen Ehegatten des Klägers ein fiktives Einkommen im Geringverdienerbereich zuzurechnen sei, das im Ergebnis zu einem Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger jedenfalls in der austitulierten Höhe von 290,00 EUR führe.
Das OLG wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Rechtsprechung des BGH zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen zu Recht auf erhebliche Bedenken gestoßen sei (vgl. hierzu etwa Born NJW 2008, 3089; Maurer, FamRZ 2008, 1985; Graba FF 2008, 437, 445; Norpoth, FamRZ 2009, 26).
Auch nach Auffassung des Senats hebe sie die Unterscheidung zwischen dem Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen einerseits und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen andererseits weitgehend auf und lasse sich deshalb nicht nur mit den gesetzlichen Vorgaben der §§ 1578 Abs. 1, 1581 BGB schwerlich in Übereinstimmung bringen, sondern entferne sich auch von dem Verständnis der Ehe in der Gesellschaft, nac...