Leitsatz
Ist der Unterhaltspflichtige seinem geschiedenen Ehegatten zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet und schuldet er auch einem neuen Ehegatten Familienunterhalt, stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise der Anspruch auf Familienunterhalt bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten zu berücksichtigen ist.
Sachverhalt
Geschiedene Eheleute stritten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt. Der 1957 geborene Kläger und die 1956 geborene Beklagte hatten im Jahr 1975 geheiratet. Ihre Ehe war kinderlos geblieben. Nach der Trennung im Juli 2002 wurde die Ehe im Oktober 2003 rechtskräftig geschieden. Zum Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete die Beklagte als Hilfsarbeiterin und war bis zum Jahre 1978 erwerbstätig. Danach ging sie während des ehelichen Zusammenlebens keiner Erwerbstätigkeit nach. Von 1995 bis 1997 pflegte sie ihren Vater. Seit der Trennung im Juli 2002 arbeitete sie teilschichtig als Reinigungskraft. Der Kläger hatte sich während des ehelichen Zusammenlebens zum Chemieingenieur fortgebildet und war in diesem Beruf tätig. Im Jahre 2004 heiratete er erneut. Aus der Ehe ist ein im Februar 2005 geborener Sohn hervorgegangen. Außerdem adoptierte der Kläger im Jahre 2006 den 1997 geborenen Sohn seiner jetzigen Ehefrau, die nicht erwerbstätig war.
Durch Prozessvergleich vom 12.4.2005 vereinbarten die Parteien einen nachehelichen Unterhalt ab Januar 2005 i.H.v. monatlich 618,00 EUR. Im Jahre 2007 setzte das FamG auf eine Abänderungsklage den Unterhalt herab, zuletzt ab Januar 2008 auf monatlich 607,00 EUR.
In einem weiteren Abänderungsverfahren begehrte der Kläger erneut eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau und berief sich auf die seit Januar 2008 geänderte Rechtslage, insbesondere auf die Unterhaltsverpflichtung ggü. seiner jetzigen Ehefrau. Ferner machte er die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs geltend.
Das FamG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Unterhalt auf 290,00 EUR monatlich reduziert. Die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung des Klägers blieb so wie seine Revision erfolglos.
Entscheidung
Der BGH hat sich zunächst damit auseinandergesetzt, ob die Berücksichtigung des Unterhalts der zweiten Ehefrau aufgrund der Wiederheirat des Klägers bei der Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehefrau erst mit Verkündung des Senatsurteils vom 30.7.2008 (BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911) zulässig sei oder im Zusammenhang mit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21.12.2008 bereits ab dem 1.1.2008. Letztendlich wurde diese Frage offen gelassen, weil die vom Kläger erstrebte Herabsetzung des von ihm zu leistenden Unterhalts aus anderen Gründen nicht durchgriff.
In der Sache hat der BGH bekräftigt, dass bei Wiederverheiratung des Unterhaltspflichtigen der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten im Wege der Dreiteilung zu bemessen sei. Die geschiedene und die zweite Ehefrau seien rechtlich gleichwertig, die Reduzierung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten aufgrund der Wiederverheiratung des Unterhaltspflichtigen stehe im Einklang damit, dass dessen eigener Lebensstandard aufgrund seiner weiteren Unterhaltsverpflichtung zwangsläufig ebenfalls abgesunken sei. Der Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe werde gewahrt. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folge jedoch nicht, dass eine geschiedene Ehe mit der neuen Ehe in jeder Hinsicht gleich zu behandeln sei. Auch das Gesetz gehe in vielerlei Hinsicht vom Gegenteil aus, wie sich z.B. an den Unterhaltstatbeständen mit Einsatzpunkten sowie der Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs zeige.
Im Fall der unterhaltsrechtlichen Konkurrenz eines geschiedenen und eines neuen Ehegatten sei vielmehr zu berücksichtigen, dass die von den Ehegatten in der neuen Ehe frei gewählte Rollenverteilung den bestehenden Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht über Gebühr schmälern dürfe. Für den Bedarf des neuen Ehegatten sei nicht auf dessen ihm zustehenden Familienunterhalt abzustellen, sondern darauf, ob der neue Ehegatte im Falle einer Scheidung unterhaltsberechtigt wäre. Die jeweiligen unterhaltsberechtigten Ehegatten seien im Hinblick auf ihre Erwerbsobliegenheit gleich zu behandeln mit der Folge, dass geprüft werden müsse, ob dem neuen Ehegatte im Fall einer Scheidung ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zustehen würde.
Die von dem Kläger begehrte Begrenzung des Unterhalts hielt der BGH im Hinblick auf § 323 Abs. 2 BGB für präkludiert. Der Kläger hätte den Einwand der Befristung bereits im Vorverfahren geltend machen und ihn in seinem damaligen Klageantrag berücksichtigen müssen, weil unter den Umständen des vorliegenden Falles alle für eine zeitliche Begrenzung maßgeblichen Tatsachen seinerzeit bereits festgestanden hätten. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten habe sich schon seinerzeit aus § 1573 Abs. 2 BGB ergeben und habe daher nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. zeitlich begrenzt werden können. ...