BGB § 1666 § 1666a
Leitsatz
Den Eltern ist die elterliche Sorge zu entziehen und ein Kontaktverbot anzuordnen, wenn nur durch die damit verbundene Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von den Eltern die Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl der Kinder abgewendet werden kann, zu dessen Schutz die Eltern derzeit nicht in der Lage sind. Das ist der Fall, wenn die Kinder durch jahrelange Gewalteinwirkung zur Zeit des Zusammenlebens mit den Eltern so traumatisiert sind, dass die Durchführung einer verlässlichen und erfolgreichen Therapie nur durch Trennung von den "Täter-Eltern" und in einem geschützten äußeren Rahmen gewährleistet werden kann. (Leitsätze der Redaktion)
AG Westerstede, Beschl. v. 30.4.2009 – 81 F 1205/06 SO
Aus den Gründen
Gründe: I. Die am 23.10.1993 geschlossene Ehe der Eltern von H, S, N und S ist vom erkennenden Gericht am 23.5.2007 (81 F 1236/06) geschieden worden. Nach jahrelanger Gewalt in der Familie und mehreren Aufenthalten der Mutter in Schutzeinrichtungen hat sie sich am 29.7.2006 getrennt, nachdem der Vater H gefesselt und in einer mit Wasser gefüllten Badewanne des gemeinsamen Wohnhauses mehrfach unter Wasser drückte und ihr wiederholt drohte, sie umzubringen. Wegen dieser Tat ist der Vater zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden. Eine vorzeitige Entlassung hat die Justizvollzugsanstalt abgelehnt. Herr D habe sich als emotional instabil erwiesen und von einem auf den anderen Moment aggressiv und hartnäckig seine Interessen massiv auch gegen die Interessen anderer durchzusetzen versucht. In der Haft gab es tätliche Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen. Deshalb ist Herr D im Juni 2007 mit einer Disziplinarstrafe belegt worden. Am 7.4.2008 hat er (nach den Feststellungen des Amtsgerichts Oldenburg vom 27.11.2008) einen Mitgefangenen ohne rechtfertigenden Anlass völlig unvermittelt angegriffen und ihm einen Kopfstoß an das Kinn versetzt. Zugleich trat er mit seinen schweren Arbeitsschuhen gegen das rechte Schienbein des Mitgefangenen mit der Folge eines fünffachen Trümmerbruchs sowie weiterer Brüche des rechten Wadenbeins und Sprunggelenks. Die Verletzungsfolgen werden dauerhaft sein. Die verhängte 10-monatige Freiheitsstrafe wird im Sommer dieses Jahres verbüßt sein. In dem strafrichterlichen Urteil ist festgestellt, dass Herrn D "keine Reue anzumerken" war. Weiter heißt es "Bei nichtigen Anlässen rastet der Angeklagte völlig aus und legt ein in keiner Weise nachvollziehbares aggressives Verhalten an den Tag. Für das Gericht war "nicht ersichtlich, dass der Angeklagte an sich selbst gearbeitet hätte". Bis heute hat Herr D seine Aggressionsproblematik nicht aufgearbeitet. Eine Auseinandersetzung mit der Tat gegenüber seiner Tochter H am 29.7.2006 hat es bislang nicht gegeben."
Die einstweilige Anordnung des erkennenden Gerichts vom 4.10.2006, die es dem Vater untersagt, Kontakt zu seinen Kindern aufzunehmen, haben die Eltern über längere Zeit missachtet.
Der Mutter musste das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S entzogen werden (Beschl. v. 26.4.2007 – 81 F 1051/07), um die notwendige fachärztliche und therapeutische Behandlung außerhalb des Haushaltes der Mutter zu gewährleisten. S lebt seit Mai 2007 in einer Einrichtung auf Norderney. Ihre Geschwister leben seit April 2008 nach der Inobhutnahme durch das Jugendamt ebenfalls dort.
Das Gericht hat im Wege der einstweiligen Anordnung den Eltern die elterliche Sorge vorläufig entzogen und nach mündlicher Verhandlung diese Anordnung aufrechterhalten. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Mutter hat das OLG Oldenburg zurückgewiesen (Beschl. v. 25.7.2008).
Im Hauptsacheverfahren ist ein Gutachten darüber erstellt worden, ob eine räumliche Trennung der Kinder von den Eltern und dem Familienumfeld zur professionellen Aufarbeitung der durch die jahrelange Gewalterfahrung in der Familie erfahrenen Traumatisierung und zur Vermeidung einer Retraumatisierung der Kinder aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist und eine Abwendung der Kindeswohlgefährdung auf andere Weise als durch eine räumliche Trennung nicht erreicht werden kann. Die Sachverständige, Diplompsychologin, hat in ihrem Gutachten vom 23.2.2009 ausgeführt, dass eine "Rückführung der Kinder zur Mutter … auf absehbare Zeit nicht befürwortet werden kann. Den Kindern muss die Gelegenheit gegeben werden, in einem geschützten und stabilen Umfeld neue verlässliche und sichere emotionale Bindungen einzugehen und ihre traumatischen Erlebnisse in einem gewiss länger andauernden therapeutischen Prozess zu verarbeiten". Ein Kontakt der Kinder zum Vater ist ihrer Ansicht nach "zum gegenwärtigen Zeitpunkt … unter keinen Umständen zu vertreten". Ein solcher Kontakt komme einer Retraumatisierung gleich. Aus sachverständiger Sicht gebe es "derzeit keinerlei Anzeichen, dass der Vater bereit ist, Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen und an der Senkung seiner Aggressions- und Gewaltbereitschaft zu arbeiten". Eine "wirkliche emotionale Sicherheit für die Kinder kann es...