Die BGH-Entscheidung vom 15.6.2011, die Anfang August von den Medien stark beachtet wurde (Tagesschau, Welt, Süddeutsche Zeitung, Spiegel v. 8.8.2011), ist bei näherer Betrachtung nicht so spektakulär, dass sie sich für eine ausführliche Erörterung eignen würde.
Zunächst ist auffällig, dass die geschiedene Ehefrau und betreuende Mutter des Kindes sich an dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof nicht mehr beteiligt hat, sodass ein Versäumnisurteil erging.
Die Eheleute hatten 1999 geheiratet. Bereits im Februar 2005, also nach noch nicht sechs Jahren, war die Ehe bereits rechtskräftig geschieden. Aus dieser Ehe war eine unmittelbar nach der Heirat im Juli 1999 geborene Tochter hervorgegangen. Das Kind lebte zwei Jahre, von Juli 2003 bis Dezember 2005, in einer Pflegefamilie und war dann seit Januar 2006 wieder bei der Mutter. Das Kind geht in die 3. Klasse der Grundschule. Es gibt eine offene Ganztagsschule, so dass die Betreuung bis in die Nachmittagsstunden gewährleistet ist. Das OLG Düsseldorf hatte bei dem neun Jahre alten Kind die halbschichtige Erwerbsobliegenheit der Mutter als ausreichend angesehen.
Der BGH hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und zurückverwiesen.
Der Senat setzt seine harte Linie im Zusammenhang mit dem Betreuungsunterhalt fort. Insofern ist dies jetzt schon die dritte Entscheidung in diesem Jahr.
In allen drei Entscheidungen aus diesem Jahr hat es die Oberlandesgerichte Schleswig, Frankfurt und Düsseldorf getroffen mit der Maßgabe, das Verfahren noch einmal aufzurollen und neu zu bescheiden. Auffällig ist außerdem, dass sich die Verfahren bei den Oberlandesgerichten auf die Jahre 2008/2009 beziehen, also auf die Anfangsphase des neuen Unterhaltsrechts, das seit 1.1.2008 maßgeblich ist.
In der Sache selbst muss man feststellen, dass schon nach dem alten Altersphasenmodell eine Halbtagstätigkeit in jedem Fall verlangt werden konnte.
Das Oberlandesgericht hat keine durchgreifenden individuellen Einzelumstände festgestellt, so dass das Alter des gemeinsamen Kindes nicht ausschlaggebend sein kann für eine Fortführung des Betreuungsunterhaltsanspruchs ohne weitere Berücksichtigung der kindbezogenen oder elternbezogenen Gründe. Die einzige Besonderheit liegt vielleicht darin, dass das Kind 2 ½ Jahre in einer Pflegefamilie war (warum?), allerdings inzwischen auch wieder von der Mutter seit gut drei Jahren versorgt wird.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein modifiziertes Altersphasenmodell vom BGH strikt abgelehnt wird und die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung durch die Mutter nicht gegeben ist, wenn Schule und Nachmittagsbetreuung in einer staatlichen Einrichtung die Versorgung und Beaufsichtigung des Kindes gewährleisten.
Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen