Zunächst stellt sich die Frage, ob sich der unterhaltspflichtige Ehegatte gegenüber seinem früheren Ehegatten auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit berufen kann, wenn er nunmehr im Rahmen einer neuen Beziehung ein weiteres Kind hat und insoweit Unterhaltspflichten gegenüber dem neuen Kind und der neuen Ehefrau/nichtehelichen Mutter bestehen. Fraglich ist weiter, ob er selbst den Bezug von Elterngeld in der neuen Beziehung wählen kann und ob der Ansatz des reduzierten Einkommens vom früheren unterhaltsberechtigten Ehegatten hinzunehmen ist.
Grundsätzlich sind zunächst die vorrangigen Unterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern zu erfüllen.
Ausgangspunkt ist hier sicherlich die Wertung aus der Entscheidung des BGH zum Kindesunterhalt (Mindestunterhalt, BGH – XII ZB 181/14 – s.o.).
Nach dieser Entscheidung hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte in den Fällen, in denen die Rollenwahl des Elterngeld beziehenden, unterhaltspflichtigen Elternteils zu akzeptieren ist, keinen Anspruch mehr auf nachehelichen Unterhalt, sofern das dann noch vorhandene Ein kommen nicht genügt, um den Unterhaltsanspruch zu befriedigen. Maßgeblich ist damit nur das durch Elterngeld bezogene Einkommen.
Interessant sind die Fälle, in denen die Rollenwahl nicht zu akzeptieren ist, weil derjenige Elternteil, der Elterngeld bezieht, entweder gleich viel oder sogar ein höheres Einkommen erzielt als der andere, neue Ehegatte und Elternteil.
Im Gegensatz zum Kindesunterhalt für einen Minderjährigen (Rang: § 1609 Nr. 1 BGB) steht der Unterhaltsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten gemäß § 1570 BGB im Rang des § 1609 Nr. 2 BGB.
Dies muss sich auf die Frage der zu treffenden Rollenwahl und auf den Bezug von Elterngeld auswirken.
Fraglich ist, ob die getroffene Entscheidung, Elterngeld zu beziehen, vom unterhaltsberechtigten früheren Ehegatten hingenommen werden muss oder ob eine zusätzliche Erwerbsverpflichtung des betreuenden Elternteils angenommen werden kann – alternativ, dass fiktiv das frühere Einkommen weiter angesetzt wird.
Dafür, dass der frühere Ehegatte die getroffene Entscheidung des Unterhaltspflichtigen hinnehmen muss, spricht, dass der Gesetzgeber mit der Bezugsmöglichkeit von Elterngeld den Eltern dieses Wahlrecht an die Hand gegeben hat. Ziel war es auch, einerseits den erwerbstätigen (vor allem) Vätern (aber auch den Müttern) die Möglichkeit zu geben, an der Kindererziehung teilzuhaben und sich insoweit in die Familie einzubringen, andererseits den (vor allem) Müttern einen schnelleren Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen, indem der andere Ehegatte durch den Bezug von Elterngeld die dafür notwendige Entlastung im Rahmen der Haushaltsführung mit dem Kind erbringt.
Eine weitergehende Erwerbstätigkeit kann von dem Elterngeld beziehenden Elternteil während des Bezugszeitraums von Elterngeld nicht verlangt werden. Gilt dies nach Ansicht des Bundesgerichtshofs schon beim Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind, muss es erst recht beim Ehegattenunterhalt gelten. Somit kann der Bezug von Elterngeld nicht mit einer zusätzlichen Erwerbsverpflichtung verknüpft werden.
Für den Ansatz eines fiktiven Einkommens spricht, dass andernfalls dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werden, indem während des Bezugszeitraums von Elterngeld der besserverdienende Ehegatte sich auf den Bezug von Elterngeld beschränkt und damit für den Unterhaltsanspruch des früheren Ehegatten nicht mehr leistungsfähig ist.
Klinkhammer sieht in diesen Fällen eine konkrete Einzelfallbetrachtung vor, in der die Interessen des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten abgewogen werden müssen. Hilfreich ist es, wenn die Unterhaltsansprüche, die sich unter Bezug von Elterngeld ergeben (zu berücksichtigende Rollenwahl), mit dem Unterhaltsanspruch bei einer weiteren Vollerwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen verglichen werden.
Da die bisherige Ehefrau und die neue Ehefrau im selben Rang sind (§ 1609 Nr. 2 BGB), kann von der neuen Ehefrau F mehr Rücksicht verlangt werden.