Letztlich ist auf die strenge Anwaltshaftung hinzuweisen.
Ein Rechtsanwalt haftet danach für vermeidbare steuerlich nachteilige Auswirkungen einer von ihm empfohlenen Vertragsgestaltung grundsätzlich auch dann, wenn eine Beratung in steuerrechtlicher Hinsicht nicht ausdrücklich Inhalt des ihm erteilten Mandats gewesen ist. Auch wenn sich also ein erteilter Beratungsauftrag nicht ausdrücklich auf eine Beratung des Mandanten in steuerrechtlicher Hinsicht erstreckt, entlastet dieser Umstand den Rechtsanwalt nicht von entsprechenden Hinweispflichten. Auch ein nicht auf dem Gebiet des Steuerrechts spezialisierter Rechtsanwalt muss auf nach umfassender Prüfung der Rechtslage erkennbare steuerliche Risiken hinweisen oder aber dem Mandanten zumindest insoweit die Inanspruchnahme gesonderter steuerrechtlicher Beratung empfehlen. Berät folglich ein Rechtsanwalt eine Mandantin im Zusammenhang mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung, hat er sie auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen, sofern sich beispielsweise bei sachgerechter Bearbeitung wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung nach § 22 Nr. 2, § 23 EStG aufdrängen kann und er zu einer steuerrechtlichen Beratung nicht bereit oder imstande ist.
Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt nur dann nicht, wenn der vernünftigerweise einzuschlagende Weg die Mitwirkung eines Dritten voraussetzt. Eine steuerrechtliche Beratung, die einen zugleich als Fachanwalt für Steuerrecht tätigen Rechtsanwalt treffen kann, obliegt zwar nicht dem Allgemeinanwalt.
Dessen Auftrag beschränkt sich auf Fragen des Zugewinnausgleichs. Dem Allgemeinanwalt ist nach Ansicht des BGH jedoch als Pflichtverletzung vorzuwerfen, wenn er nicht über die Notwendigkeit der Beteiligung eines Steuerberaters bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung unterrichtet. Der durch eine fehlerhafte steuerliche Beratung verursachte Schaden umfasst beispielhaft die Kosten eines von dem Mandanten eingeholten Wertgutachtens, mit dessen Hilfe ein geringerer Verkehrswert eines für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Grundstücks nachgewiesen und die Steuerlast verringert werden kann.
Ein Rechtsanwalt verletzt seine vertraglichen Pflichten ferner, wenn er bei einem Auftrag zur Geltendmachung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs die Verjährungsfrist nicht prüft und keine Maßnahmen ergreift, die den Mandanten vor dem Eintritt des Anspruchsverlustes durch Ablauf der Verjährungsfrist bewahren.
Auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs mit einer internen und externen Teilung der Versorgungsanwartschaften ist haftungsträchtig. Zu beachten ist nämlich, dass bei einer externen Teilung ein Ausgleichswert als Kapitalbetrag von dem bisherigen Versorgungsträger an den neuen Versorgungsträger gezahlt wird. Gem. § 3 Nr. 55b S. 2 EStG gilt die Steuerfreistellung aber nicht, soweit die späteren Versorgungsleistungen bei dem Ausgleichsberechtigten zu steuerpflichtigen Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG oder nach § 22 Nr. 1 S. 3a bb EStG führen würden. Denn da die Leistungen aus einer Kapitallebensversicherung nicht vollumfänglich besteuert werden, könnte es sonst bei der Übertragung aus einer betrieblichen Altersversorgung heraus zu Besteuerungslücken kommen. Ausgleichszahlungen zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs sind als Sonderausgabe abzugsfähig. § 22 Nr. 1a EStG regelt korrespondierend zum steuerlichen Abzug als Sonderausgaben beim Ausgleichsverpflichteten die Versteuerung beim Ausgleichsberechtigten. Aus haftungsrechtlichen Gründen sind daher im Rahmen von Verhandlungen zur Vereinbarung von Abfindungen zwingend die steuerlichen Folgen zu überprüfen und die Mandantschaft schriftlich auf die steuerlichen Auswirkungen hinzuweisen.
Autor: Bernd Kuckenburg, vereidigter Buchprüfer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familien- & Steuerrecht, Dr. Renate Perleberg-Kölbel, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familien-, Steuer- & Insolvenzrecht, Hannover
FF 9/2020, S. 355 - 358