Den Beitrag beschließt ein kurzer Blick auf die aus dem Grundgesetz folgenden Rechte von Kindern. Der Verfassungsgeber hat sich bei der Schaffung des Grundgesetzes in den Jahren 1948 und 1949 keine vertieften Gedanken zu spezifischen Grundrechten für Kinder gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch bereits in seiner frühen Rechtsprechung Kinder als eigene Träger von Grundrechten anerkannt, ohne die alters- und entwicklungsbedingten Besonderheiten bei der Wahrnehmung und Ausübung von Grundrechten zu vernachlässigen. Herkömmlich hat es formuliert: "Hierbei ist das Kind als Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit unter den besonderen Schutz des Staates gestellt." Ungeachtet der auf die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) begrenzten Formulierung steht in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung die Trägerschaft von Kindern im Grundsatz bei keinem Grundrecht in Zweifel. Das schließt Besonderheiten bei der Ausübung der Grundrechte, die bei unterschiedlichen Grundrechten verschieden sein können, nicht aus, sondern setzt solche gerade voraus.
Jenseits dessen hat sich aber unter der Geltung des Grundgesetzes eine Linie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt, die spezifische und grundrechtlich abgeleitete Ansprüche von Kindern vor allem gegen den Staat zum Gegenstand haben. Den Rahmen für diese Ansprüche bilden das Recht des Kindes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), das in der Ausübung am Kindeswohl orientierte Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie das auf die Einhaltung der Kindeswohlausrichtung bei der Ausübung der Elternverantwortung bezogene staatliche Wächteramt des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG. Der gegenwärtige Stand dieses an den Staat als Schuldner gerichteten Anspruchs von Kindern auf Hilfe und Unterstützung bei der eigenen Persönlichkeitsentwicklung ist wohl erstmals in dem Beschluss zur Sukzessivadoption (oben bereits oben IV.1.) formuliert worden. Danach ist der Anspruch des Kindes auf Schutz und Hilfe im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und damit auch auf die Mitverantwortung des Staates für die Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung gerichtet. Er findet seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das verpflichte den Gesetzgeber, Lebensbedingungen zu sichern beziehungsweise zu schaffen, die für ein gesundes Aufwachsen des Kindes erforderlich seien. Den Inhalt dieses Anspruchs hat das Gericht in dem Beschluss dahingehend konkretisiert, dass eine originäre Pflicht des Staates gegenüber den Kindern bestehe, den elterlichen Erziehungs- und Pflegeauftrag zu unterstützen. Zudem existiere eine Kontroll- und Sicherungsverantwortung des Staates dafür, dass das Kind sich unter der Erziehungsverantwortung der Eltern zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln könne. Von der tatsächlichen und rechtlichen Situation abhängig kann sich dieser Schutz- und Unterstützungsanspruch des Kindes weiter ausprägen. So verhält es sich etwa bei bestehenden Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung im elterlichen Haushalt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Staat bei einer Gefährdung des Kindeswohls nicht nur berechtigt, sondern angesichts seines Wächteramtes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG auch verpflichtet, die Pflege des Kindes sicherzustellen. Das kann wiederum situationsabhängig in eine Pflicht des Staates münden, das gefährdete Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine bereits erfolgte Trennung aufrechtzuerhalten. Die Erfüllung dieses Anspruchs durch den Staat kann das Kind auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren über einen Verfahrensbeistand (§ 158 FamFG) oder einen Ergänzungspfleger (§ 1809 BGB) geltend machen.
Unabhängig von der seit vielen Jahren geführten Diskussion um die Einfügung spezifischer Kindergrundrechte in das Grundgesetz zeigt sich, dass auf der Grundlage der geltenden Verfassung durch deren Auslegung der alters- und entwicklungsbedingt besonderen Grundrechtslage von Kindern Rechnung getragen werden kann. Ob ungeachtet dessen spezifische Kindergrundrechte angezeigt sind, ist eine verfassungspolitische Frage, zu der hier keine Stellung genommen wird.