Einführung
Der diesjährige Anwaltstag in Bielefeld stand unter dem Motto "Digitale Welt" und so befasste sich auch die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht in ihrer Fachveranstaltung am Donnerstag unter anderem mit der Frage, wie Familienrechtler:innen moderne Technologien im Anwaltsalltag nutzen können.
1 Technik, die begeistert?
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz sei auch im familienrechtlichen Mandat keine bloße Zukunftsmusik mehr, meinte der Münchener Rechtsanwalt Stefan C. Schicker im Auftaktvortrag der Fachveranstaltung. Beim Vertragsmanagement beispielsweise könne die Technik wertvolle Unterstützung bieten. Oder auch Besuchs- und Kommunikationsvereinbarungen zwischen den Eltern könne man durchaus auch mithilfe einer KI erstellen.
Die möglichen datenschutz- und berufsrechtlichen Grenzen des Einsatzes künstlicher Intelligenz im familienrechtlichen Mandat wurden in der sich anschließenden Diskussion im Auditorium intensiv erörtert. Das seien, so betonte Schicker, "sicherlich die großen Punkte, die großen Themen, über die wir sprechen müssen". Und er widmete sich auch der Frage, die wohl viele Anwält:innen umtreibt: Wird künstliche Intelligenz uns ersetzen? Oder auch optimistischer: Wie kann ich als Anwalt, als Anwältin die neue Technik effektiv und sinnvoll einsetzen?
2 Digitalisierung mit Bedacht und Besonnenheit
Bei aller Euphorie mahnte die Bremer Rechtsanwältin und Präsidentin des Deutschen Anwaltvereines Edith Kindermann aber auch zur Besonnenheit beim Thema Digitalisierung des familienrechtlichen Verfahrens. Die Technik entwickle sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit, in vielen Bereichen könne die Justiz da gar nicht mithalten, meint Kindermann und plädiert daher für ein "Ruhigbleiben". Das Familienrecht sei jenseits der einschlägigen Tabellen ohnehin sehr individuell und verlange ein hohes Maß an Kreativität vom Anwalt bzw. der Anwältin. Einer maschinellen Bearbeitung seien daher schon aus diesem Grund Grenzen gesetzt. Edith Kindermann hob aber auch positiv die Möglichkeiten hervor, die die Digitalisierung im Familienrecht bieten könnte. So sind zum Beispiel digitale Plattformen denkbar, über die Eltern Umgangsvereinbarungen treffen und so das mit einer ansonsten direkten Konfrontation verbundene Konfliktpotential verringern könnten.
Anschließend ging die DAV-Präsidentin auf anstehende Gesetzesprojekte zur Justizdigitalisierung ein, die dann natürlich auch das familienrechtliche Verfahren betreffen werden. Zum Schluss ihrer Ausführungen berichtete sie über die – ergebnisoffenen – Überlegungen der ZPO-Reformkommission. Dabei geht es beispielsweise um mögliche Spezialisierungen bei den Gerichten und eine Digitalisierung formularbasierter Verfahren, wie PKH u.Ä., so dass entsprechende Anträge automatisch ausgewertet werden können.
3 Warten auf die Unterhaltsreform
Ein weiterer Themenkomplex war den anstehenden Reformen im Familienrecht gewidmet. Dr. Gudrun Lies-Benachib, Vorsitzende Richterin am OLG Frankfurt a.M., fasste die Pläne zum Unterhaltsrecht zusammen. Bereits im August vergangenen Jahres hatte das Bundesjustizministerium hier Eckpunkte vorgelegt, ein entsprechender Gesetzentwurf lässt allerdings trotz entgegenstehender Ankündigungen bisher weiter auf sich warten. Grundlage der geplanten Neuregelung ist das im Koalitionsvertrag festgelegte Vorhaben, "die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser (zu) berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden". Lies-Benachib erläuterte an mehreren Einzelbeispielen die finanziellen Auswirkungen der angedachten Reform. Insbesondere die vom Justizministerium dabei vorgesehene pauschale Kürzung des sich aus dem beiderseitigen Einkommen berechneten Bedarfes um 15 % stieß dabei bei mehreren Zuhörern allerdings auf Unverständnis. Laut BMJ soll es sich dabei lediglich um einen "Rechenposten" handeln, der den im Haushalt des Umgangsberechtigten aufgebrachten Naturalunterhalt berichtigt. Insgesamt, so die Prognose von Lies-Benachib, werden Auseinandersetzungen um Unterhalt und Umgang bleiben oder sich möglicherweise sogar verschärfen, wenn der Umfang des Umgangs und die Höhe der Unterhaltsverpflichtungen stärker miteinander verknüpft sind.
4 Kindschaftsrecht – Elternautonomie vs. Kinderinteressen?
Auch im Kindschaftsrecht liegen – entgegen den ministeriellen Ankündigungen – bisher nur Eckpunkte vor. Der Vorsitzende Richter am Saarländischen OLG Mallory Völker hat diese einer kritischen Betrachtung unterzogen. Ziel der Reform ist einerseits eine Stärkung der Rechtsposition des Kindes und andererseits eine Stärkung der Privatautonomie und der Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern. Sie sollen beispielsweise mehr als bisher die Möglichkeit erhalten, Vereinbarungen über das Sorgerecht zu schließen. Diese geplante Neuregelung und auch die vorgesehene automatische Vollstreckbarkeit von Elternvereinbarungen zum Umgang sah Völker kritisch. Er befürchtete, dass hier die Gewichte zu weitgehend zugunsten der Elternautonomie und zulasten der Absicherung des Kindeswohls verschoben würden.
5 Zum Schluss
Den Abschluss bildete wie üblich ein Empfang, bei dem DAV-Präsidentin Edith Kindermann ein Grußwort hielt. Auch auf dem diesjährigen Anwalts...