I. Fehlende Rechnung
Der ehemalige Mandant hatte zum einen eingewandt, er habe keine Rechnung erhalten. Auf diesen Einwand ist das OLG nicht weiter eingegangen. Dabei hätte hierzu jedoch Anlass bestanden.
Eine Vergütungsforderung ist nach § 10 Abs. 1 RVG nur dann durchsetzbar, wenn dem Mandanten zuvor eine ordnungsgemäße Rechnung erteilt worden ist. Solange der Mandant keine ordnungsgemäße Rechnung erhalten hat, braucht er nicht zu zahlen. Insbesondere kann die Forderung nicht eingeklagt werden und auch nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG durchgesetzt werden.
Zu einer ordnungsgemäßen Rechnung gehörte nach der hier noch maßgebenden Fassung des § 10 RVG, dass dem Mandanten eine vom Anwalt eigenhändig unterschriebene Rechnung übermittelt wurde. Daher war der Einwand, keine ordnungsgemäße Rechnung erhalten zu haben, durchaus beachtlich. Er hatte auch seinen Grund im Gebührenrecht, nämlich in § 10 RVG. Das Gericht hätte daher nicht festsetzen dürfen, es sei denn, die Rechnung ist noch nachgereicht worden.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zum hier maßgebenden Zeitpunkt (31.12.2022) die bloße Übermittlung eines Vergütungsfestsetzungsantrags nicht ausreichend war. Während in der Zeit vor beA die Übersendung einer beglaubigten Abschrift des Vergütungsfestsetzungsantrags ausreichte, funktionierte das in Zeiten von beA zunächst nicht mehr, weil der Mandant jetzt nur noch eine einfache Kopie des Antrags erhält. Da hier noch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 RVG i.d.F. bis zum 16.7.2024 galt, wäre also eine eigenhändig unterschriebene Rechnung, zumindest eine vom Anwalt beglaubigte Abschrift, erforderlich gewesen. Erstaunlich ist, dass das OLG auf diesen Punkt überhaupt nicht eingegangen ist.
Seit dem 17.7.2024 reicht es aus, dass der Mandant eine vom Anwalt oder auf seine Veranlassung in Textform mitgeteilte Berechnung in Textform erhält. Danach dürfte heute wohl die Übermittlung eines per beA eingereichten Vergütungsfestsetzungsantrags ausreichen.
II. Verjährungseinrede
Der ehemalige Mandant hatte darüber hinaus die Einrede der Verjährung erhoben. Das OLG war der Auffassung, es handele sich um einen nichtgebührenrechtlichen Einwand, der hier jedoch unbeachtlich sei. Beide Annahmen sind jedoch unzutreffend.
Gebührenrechtlicher Einwand
Bei einem Verjährungseinwand ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu differenzieren.
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Soweit der Einwand nach den Regeln des BGB zu prüfen ist, handelt es sich um eine nicht gebührenrechtliche Einwendung. |
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Soweit der Einwand allerdings nach den Vorschriften des RVG zu prüfen ist, handelt es sich um eine gebührenrechtliche Einwendung, die im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist. |
Hier war unstreitig, dass die Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB drei Jahre betrug. Ebenso war unstreitig, dass die Verjährung mit Ende des Jahres zu laufen begann, in dem die Vergütung fällig geworden war (§ 196 Abs. 1 BGB). Zudem war unstreitig, dass keine verjährungshemmenden oder -unterbrechenden Maßnahmen nach BGB getroffen worden waren. Strittig war allein die Fälligkeit der Vergütung, die sich aber nach § 8 Abs. 1 RVG richtet und deren Hemmung, die nach § 8 Abs. 2 und § 11 Abs. 7 RVG zu beurteilen ist, beides also Einwände, die ihre Grundlage im RVG und damit im Gebührenrecht haben.
Berechnung der Fälligkeit
Das OLG ist davon ausgegangen, dass das gesamte Verbundverfahren eine Angelegenheit sei, so dass auch nur eine einheitliche Verjährung greife. Hierin liegt der Fehler des OLG.
Zutreffend ist, dass das gesamte Verbundverfahren eine einzige Angelegenheit darstellt. Dies folgt allerdings nicht aus § 6 Abs. 2 FamGKG, der für die Anwaltsgebühren ohnehin keine Rolle spielt, sondern aus § 16 Nr. 4 RVG.
Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 FamGKG betrifft im Übrigen gar nicht die hier gegebene Fallkonstellation. Die Regelung des § 6 Abs. 2 FamGKG betrifft die Fälle der §§ 137 Abs. 5 S. 2, 141 S. 3, 142 Abs. 2 S. 3 FamFG, in denen eine abgetrennte Folgesache zur selbstständigen Folgesache wird. In diesem Fall handelt es sich aber nur bei der Folgesache im Verbund und der selbstständigen Folgesache um eine einzige Angelegenheit, in der die Kosten nur einmal entstehen. Die Folgesache gehört dann aber nicht mehr zum Verbund. Sie wird vielmehr selbstständig, so dass die Vergütung gesondert zu berechnen ist und die Fälligkeit der abgetrennten Folgesache unabhängig von der Fälligkeit der Vergütung im Verbundverfahren eintritt und folglich auch die Verjährung jeweils gesondert läuft.
Beispiel:
In einem Verbundverfahren (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR; Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR [zwei Anrechte, § 51 Abs. 1 FamGKG]; elterliche Sorge 1.200,00 EUR [20 % der Ehesache; § 44 Abs. 2 FamGKG]) wird nach mündlicher Verhandlung gem. § 140 Abs. 2 Nr. 3 FamFG die Folgesache elterliche Sorge abgetrennt. Sowohl im Verbund als auch im isolierten Verfahren wird nach der Abtrennung erneut verhandelt.
Hier liegt ein Fall des § 137 Abs. 5 S. 2 FamFG vor. Die Kindschaftssache wird zur selbstständigen Familiensach...