Vergleicht man den künftig maßgebenden Katalog der familiengerichtlichen Zuständigkeiten mit der Zuständigkeitsregelung in den ersten 20 Jahren nach Einführung der Familiengerichtsbarkeit im Jahre 1977, so zeigt sich: Das nunmehr Große Familiengericht wird einen wesentlich umfangreicheren Aufgabenbereich haben. Dies beruht auch darauf, dass schon das am 1.7.1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz die familiengerichtliche Zuständigkeit beträchtlich ausgeweitet hat, indem es Sorge- und Umgangsrechtsverfahren unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind, sämtliche auf Ehe und Verwandtschaft beruhende und auch auf § 1615l BGB gestützte Unterhaltsklagen sowie Abstammungsverfahren den Familiengerichten zugewiesen hat. Hinzu kamen im Jahre 2001 die Zuständigkeit für Verfahren nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz und im Jahre 2002 die für Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz in dem in § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 8a GVG bestimmten Umfang.
Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf die Belastungssituation und das Anforderungsprofil der Familienrichterinnen und -richter. Das gilt in besonderem Maße insoweit, als die Familienrichter künftig auf allgemeines Zivilrecht gegründete Streitigkeiten entscheiden müssen. Für mit familienrechtlichen Mandaten betraute Anwälte ist es nichts Neues, sich mit Problemen des Gesamtschuldnerausgleichs, der Rückgewähr von Zuwendungen, der Auseinandersetzung einer Ehegatteninnengesellschaft oder mit speziellen Fragen wie der nach der Berücksichtigung nicht mehr valutierter Grundschulden in der Teilungsversteigerung beschäftigen zu müssen. Für die Familiengerichte ist dies Neuland. Sie bekommen es mit Rechtsgebieten zu tun, die ihnen bisher nicht vertraut sind und die zudem als schwierig und komplex einzustufen sind, auch im Hinblick auf die Schnittstellen und die Verzahnung mit Unterhalts- und Güterrecht. Und es kommen Verfahren auf sie zu, die häufig umfangreich und zeitaufwändig sind.
Die Konsequenz liegt auf der Hand: Will man eine Qualitätsverbesserung der Rechtsprechung dadurch erreichen, dass künftig alle beim Auseinanderbrechen von Ehen zu regelnden vermögensrechtlichen Fragen vor ein und demselben Gericht verhandelt und von ihm erforderlichenfalls entschieden werden, und das ist eins der Ziele der Reform, so wird man zum einen den Familienrichtern die Möglichkeit und den Anreiz zur Fortbildung in den neuen Rechtsgebieten geben müssen. Ohne Fortbildung werden die Familienrichter den Fachanwälten für Familienrecht, die sich regelmäßig weiterbilden müssen, fachlich unterlegen sein. Und zum zweiten wird man die Familiengerichte personell deutlich aufstocken müssen. Sie erhalten nicht nur weitere Zuständigkeiten und damit zusätzliche Akten, sondern sie werden mit Verfahren betraut, die zu einem großen Teil besonders aufwändig sind und Zeit in Anspruch nehmen. Dies muss bei der Bewertung der Familiensachen seitens der Gerichtsverwaltung berücksichtigt werden. All dies ist auch deshalb erforderlich, weil es für die Motivation der Familienrichterinnen und -richter unerlässlich ist. Nur motivierte Richter leisten qualitativ gute Arbeit.
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird sich die Kompetenzerweiterung der Familiengerichte allerdings nicht nur für den rechtsuchenden Bürger und die Anwaltschaft, sondern auch für die Familienrichter als Gewinn erweisen. Denn bei den "sonstigen Familiensachen" i.S. des § 266 FamFG handelt es sich nicht nur um oft schwierige, sondern auch um meist interessante zivilrechtliche Fallgestaltungen, die den Bearbeiter in juristischer Hinsicht herausfordern und seine Arbeit angesichts des familienrechtlichen Unterhalts- und Versorgungsausgleichsalltags bereichern.