§ 323 ZPO, §§ 1570 Abs. 2, 1609 Nr. 1 BGB, § 24 SGB VIII
Leitsatz
1. Nur wenn der Unterhaltsberechtigte substantiiert darlegt, dass die konkrete Betreuungssituation oder eine besondere Betreuungsbedürftigkeit eines Kindes eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht zulassen, kommt nach dem Willen des Gesetzgebers ein über das 3. Lebensjahr des Kindes hinausgehender Betreuungsunterhalt in Betracht.
2. Ein Betreuungsunterhaltsberechtigter musste sich erst mit Inkrafttreten des UÄndG darauf einstellen, neben der Betreuung eines inzwischen 6-jährigen Kindes einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen. Ihm ist daher eine Übergangsfrist zuzubilligen, innerhalb derer er sich auf die verschärften Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit einstellen und Bemühungen um einen Arbeitsplatz entfalten kann.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.3.2008 – II-4 WF 41/08 (AG Kempen)
Aus den Gründen
Gründe: Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Rechtsverteidigung der Beklagten gegen die Abänderungsklage des Klägers hat nur für die Zeit bis Juni 2008 weitergehende Aussicht auf Erfolg.
1. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten für die hier in Rede stehende Zeit ab dem 1.1.2008 bestimmt sich grundsätzlich nach dem an diesem Tag in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes (UÄndG). Der Beklagten steht danach ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt nur noch zu, wenn und soweit die Voraussetzungen des § 1570 Abs. 2 Satz 2 BGB vorliegen; ein Anspruch nach § 1570 Abs. 2 BGB kommt vor dem Hintergrund der kurzen Dauer der Ehe nicht in Betracht.
Das AG ist danach zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte eine Obliegenheit zu (mindestens) teilschichtiger Erwerbstätigkeit trifft.
Das neue Unterhaltsrecht geht davon aus, dass das bisherige Altersphasenmodell nicht mehr haltbar sei, vielmehr vor dem Hintergrund insbesondere des Anspruchs auf eine Kindesbetreuung ab dem 3. Lebensjahr (§ 24 SGB VIII) auch neben der Betreuungsaufgabe eine Erwerbstätigkeit zumutbar sei. Nur wenn der Berechtigte substantiiert darlegt, dass die konkrete Betreuungssituation oder eine besondere Betreuungsbedürftigkeit des Kindes eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht zulassen, kommt nach dem Willen des Gesetzgebers ein über das 3. Lebensjahr des Kindes hinausgehender Betreuungsunterhalt in Betracht. Ob eine derartige Regelung aus rechtspolitischer Sicht zu begrüßen ist, kann dahinstehen; an die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung sind die Gerichte gebunden. Die Beklagte kann sich daher weder auf das Alter des Kindes noch darauf berufen, dass Kinder getrennt lebender Eltern stets intensiver betreuungsbedürftig seien; auch dieser generelle Umstand – alle Fälle des § 1570 betreffen Kinder getrennt lebender Eltern – war dem Gesetzgeber bei Fassung des § 1570 BGB bekannt. Lediglich eine besondere Betreuungsbedürftigkeit im Einzelfall kann eine Ausweitung des Betreuungsunterhaltsanspruchs über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus rechtfertigen (vgl. auch Ziffer 17.1 der Leitlinien; Borth, FamRZ 2008, 2, 6).
Der Beklagten, deren Unterhaltsanspruch bereits tituliert war, kommt allerdings die Übergangsregelung des § 36 Abs. 1 EGZPO zugute. Bis zum Inkrafttreten des UÄndG konnte die Beklagte davon ausgehen, dass sie bis zum 8. Lebensjahr ihres Kindes keine Erwerbsobliegenheit traf; nach Abschluss des auf dieser Rechtslage beruhenden Vergleichs konnte die Beklagte zunächst vom Fortbestand dieser Sach- und Rechtslage ausgehen. Erst mit Inkrafttreten des UÄndG musste sie sich darauf einstellen, neben der Betreuung ihres inzwischen 6-jährigen Kindes unterhaltsrechtlich einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen. Der Beklagten ist daher eine Übergangsfrist zuzubilligen, innerhalb derer sie sich auf die verschärften Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit einstellen und Bemühungen um einen Arbeitsplatz entfalten kann. Diese ist nach Auffassung des Senats in der zur Entscheidung berufenen Besetzung mit einem halben Jahr ausreichend bemessen.
Bis Juni 2008 ist daher nur das tatsächliche Einkommen der Beklagten in die Unterhaltsberechnung einzustellen, das der Senat im Rahmen des PKH-Prüfungsverfahrens zugunsten der Beklagten unter Vernachlässigung des bis Februar 2008 ausgeübten 1-Euro-Jobs entsprechend den Angaben der Beklagten zu den Einnahmen aus ihrer Tätigkeit als Haushaltshilfe durchgehend mit monatlich rund 95 EUR veranschlagt. Da die Beklagte diese Tätigkeit nur am Wochenende ausübt, kann sie konkrete Betreuungskosten hiervon nicht absetzen.
Anschließend ist die Beklagte schon ausgehend von ihrem derzeitigen Vortrag zu den bestehenden Betreuungsmöglichkeiten – Betreuung durch die Schule bis 13.00 Uhr – durchaus in der Lage, eine halbschichtige Tätigkeit auszuüben, d.h. auch mehr zu arbeiten, als es das AG zugrunde gelegt hat. Selbst wenn sie hierbei einen etwas geringeren als den von dem AG zugrunde gelegten Bruttostundenlohn erzielen würde, wäre ihr ein Einkommen in einer Größenordnung zuzurechnen, das keinen höheren Unterhaltsans...