ZPO § 323 Abs. 1, 2 und 4; FamFG § 238 Abs. 1, 2 und 4
Eine behauptete Änderung der im Erstprozess einem Versäumnisurteil zugrunde gelegten (fingierten) Verhältnisse erlaubt keine Abänderung nach § 323 ZPO. Eine Abänderung ist vielmehr nur dann und insoweit möglich, als sich die seinerzeit gegebenen tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
BGH, Urt. v. 12.5.2010 – XII ZR 98/08 (OLG Schleswig, AG Mölln)
Tatbestand:
[1] Die Parteien streiten um Abänderung eines Versäumnisurteils über dynamischen Kindesunterhalt.
[2] Der Kläger ist der Vater der Beklagten. Seine Ehe mit der Kindesmutter wurde nach Trennung im September 2003 im September 2006 rechtskräftig geschieden. Mit Versäumnisurteil v. 7.2.2005 war der Kläger verurteilt worden, an die vier Kinder Unterhalt in Höhe von jeweils 100 % des jeweiligen Regelbetrags nach der Regelbetragverordnung zu zahlen. In der Klageschrift waren die Nettoeinkünfte des Klägers mit monatlich 2.255 EUR beziffert worden. Tatsächlich hatte sich das Nettoeinkommen des Klägers nach Wegfall des Verheiratetenzuschlags und des Splittingvorteils bereits im Jahre 2004 auf lediglich 1.834,82 EUR monatlich belaufen. Mit Beginn des Jahres 2005 war auch der Ortszuschlag für die Kinder in Höhe von monatlich 355,12 EUR brutto entfallen. Das durchschnittliche Nettoeinkommen hatte sodann im Jahre 2005 monatlich 1.523,77 EUR betragen. Gegen das ihm am 10.2.2005 zugestellte Versäumnisurteil hatte der Kläger keinen Einspruch eingelegt.
[3] Wie schon im Jahre 2005 arbeitet der Kläger seit dem Jahre 2007 als Polizeibeamter wieder im Rahmen des Objektschutzes in Wechselschicht. Sein durchschnittliches Nettomonatseinkommen, auf das er sein Abänderungsbegehren stützt, betrug im Jahre 2007 monatlich 1.559,94 EUR.
[4] Das AG hat die Abänderungsklage als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger keine Änderung seiner Einkommensverhältnisse seit Eintritt der Rechtskraft des Versäumnisurteils vorgetragen habe. Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision, mit der der Kläger weiterhin eine Reduzierung seiner Unterhaltspflicht begehrt.
Gründe:
[5] Die Revision hat keinen Erfolg. Die Instanzgerichte haben die Abänderungsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
[6] Für das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurt. v. 25.11.2009 – XII ZR 8/08, FamRZ 2010, 192 Tz. 5).
I. [7] Das OLG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil zurückgewiesen, weil eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels erlauben würde, nicht eingetreten sei.
[8] Das Versäumnisurteil sei nicht frei abänderbar. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Verringerung seines Einkommens auf monatlich 1.834,82 EUR netto bereits mit einem Einspruch gegen das Versäumnisurteil habe geltend machen können. Der Kläger habe bereits vor Ablauf der Einspruchsfrist gewusst, dass sein tatsächliches Einkommen im Jahre 2004 lediglich 1.834,82 EUR betragen habe. In Höhe der Differenz zwischen dem Einkommen, das dem Versäumnisurteil zugrunde liege und dem tatsächlichen Einkommen im Jahre 2004, also in Höhe von (2.255 EUR – 1834,82 EUR =) 420,18 EUR, sei der Kläger präkludiert. Dieser Betrag sei dem Durchschnittseinkommen im Jahre 2007 von monatlich 1.559,94 EUR hinzuzurechnen, so dass im Rahmen der Abänderungsklage von einem unterhaltsrelevanten Monatseinkommen von 1.980,12 EUR auszugehen sei. Das ergebe auch unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts des Klägers Unterhaltsansprüche der Beklagten, die jedenfalls nicht niedriger seien als die titulierten Ansprüche.
II. [9] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
[10] 1. Nach der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 323 ZPO a.F. (vgl. jetzt § 238 FamFG) kann von jeder Partei die Abänderung eines Urteils über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen beantragt werden, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Damit ermöglicht § 323 ZPO eine Durchbrechung der Rechtskraft, die geboten ist, wenn sich die Prognose der Umstände, auf denen das Urteil auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen beruht, nachträglich als unzutreffend erweist. Aus der Zielsetzung des § 323 Abs. 1 ZPO, nämlich nur unvorhersehbare Veränderungen der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse nachträglich berücksichtigen zu können, ergeben sich zugleich die Grenzen für die Durchbrechung der bestehenden Rechtskraft. Die sich aus der Rechtskraft ergebende Bindungswirkung des Ersturteils darf deswegen auf eine Abänderungsklage hin nur insoweit beseitigt werden, als das Ersturteil auf Verhältnissen beruht, die sich nachträglich geändert haben (Senatsurt. BGHZ 171, 206 = FamRZ 2007, 793 Tz. ...