Was hat sich in neuerer Zeit geändert? Zunächst werden einige Stichworte zur Charakterisierung der post-industriellen Gesellschaft genannt – ohne auf wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen einzugehen.
1. Der Übergang zur post-industriellen Gesellschaft
Die post-industrielle Gesellschaft unterscheidet sich in struktureller wie in kultureller Hinsicht von der industriell geprägten Gesellschaft. Für das hier behandelte Thema sind folgende Prozesse relevant:
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die abnehmende wirtschaftliche Bedeutung der industriellen Produktion bei wachsender Bedeutung der Dienstleistungen (Tertiarisierung) |
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der Rückgang unmittelbar körperlicher Arbeit in der Industrie zugunsten von qualifizierten Arbeiten zur Vorbereitung, Kontrolle und Fehlerbehebung in der automatisierten Produktion |
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höhere fachliche und überfachliche Ansprüche sowohl in den produktionsbezogenen wie in den meisten konsum- und personenbezogenen Diensten |
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die Ausweitung des Bildungssystems und zugleich steigende Bildungsaspirationen |
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(im Ergebnis) die Verlängerung der individuellen Bildungslaufbahn und die exponentielle Steigerung höherer Abschlüsse bei Männern wie bei Frauen |
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die Angleichung der Erwerbsquoten von Männern und Frauen in abhängiger Beschäftigung |
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die Zunahme unregelmäßiger, schwer zu planender (aber auch selbst bestimmter) Arbeitszeiten |
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ein tief greifender kultureller Wandel, insbesondere als Individualisierung der Lebensformen und "Subjektivierung" (so bereits Baethge 1991) des Bezugs zur Erwerbsarbeit. |
Im Erwerbssystem sind also immer weniger die Qualifikationen und Dispositionen gefragt, für die der (männliche) Industriearbeiter steht, zunehmend geht es um das breite Spektrum dienstleistungs"affiner" Kompetenzen. Diese Entwicklungen gehen nicht zufällig mit zunehmendem Erwerbsinteresse und steigender Erwerbsbeteiligung der Frauen, vor allem der jüngeren Frauen einher.
2. Die Modernisierung des weiblichen Erwerbsverlauf durch Teilzeitarbeit
Warum ist dieser Übergang für die Frage nach ehebedingten Nachteilen relevant? In der post-industriellen Gesellschaft nimmt auf der einen Seite die Strukturierung des Lebenslaufs durch das Erwerbssystem ab. Als biographische "Orientierungsmarken" relevante Strukturen – Branchenstabilität, Arbeitsplatzsicherheit, Tariflohn, Normalarbeitszeit, betrieblicher Regelaufstieg, soziale Sicherung – verlieren an Bedeutung. Auf diese industriegesellschaftliche Strukturierung, die der weitgehenden Einheitlichkeit der "normalen", das heißt männlichen Berufsverläufe zugrunde liegt bzw. lag, können sich die Jüngeren in ihren biographischen Entscheidungen heute nicht mehr beziehen. Auf Sicherheit und Kontinuität gerichtete Elemente des Erwerbssystems verlieren in den Lebensverläufen der Männer seit den 1980er Jahren an Bedeutung. In den Lebensverläufen der Frauen waren die genannten Strukturgeber ohnehin schwächer ausgeprägt. Der Prozess in Richtung einer post-industriellen Arbeitswelt hat sie in ihrer Funktion für eine zuverlässige Lebensplanung für Männer und Frauen eher abgeschwächt als den Besonderheiten des weiblichen Lebenslaufs angepasst.
Auf der anderen Seite haben sich Muster eines modernen weiblichen Lebenslaufs gebildet – mit oder auch gegen die institutionelle Unterstützung durch das Bildungswesen und familienpolitische Innovationen (z.B. Elternurlaub). Ungeachtet des signifikant höheren Bildungs- und Ausbildungsniveaus haben auch die jüngeren Frauen in ihrem Erwerbsverlauf deutliche Einkommensnachteile hinzunehmen, sofern sie sich für die Mutterschaft entscheiden. Bekannt ist, dass Teilzeitarbeit zu überproportionalen Verdienstausfällen – weit über die eigentliche Teilzeitphase hinaus – führt. Weniger bekannt ist, dass die strukturellen Einkommensdifferenzen von Männern und Frauen durch Teilzeitarbeit stabilisiert werden.
Eine Stagnation ihres Einkommens müssen auch Frauen mit einem berufszentrierten Lebensentwurf hinnehmen, in dem keine eigene Lebensphase für die Kinderbetreuung vorgesehen ist – durchaus aber Mutterschaft. Auch in diesem Fall sind ehebedingte Nachteile möglich; sehr häufig müssen berufsorientierte Frauen nach der Geburt eines Kindes Aufstiegsambitionen aufgeben, weil sie die informellen Arbeitszeitnormen nicht einhalten, die in ihrem betrieblichen Umfeld gelten. So beweist eine repräsentative Studie zum Erfolg akademisch gebildeter Frauen in den Berufsfeldern Chemie und Ingenieurwissenschaften (Könekamp 2006), dass in Bereichen, in denen Frauen in der Minderheit sind, schon die Einhaltung der vertraglichen Arbeitszeit zu mas...