Mit dem Beschluss vom 18.7.2012 – 1 BvL 16/11 – erklärte der Erste Senat den Ausschluss von Lebenspartnern vom steuerlich privilegierten Grunderwerb rückwirkend bis zum Gesetz von 2001 für verfassungswidrig.
Die Gründe für die Verfassungswidrigkeit entsprechen im Wesentlichen denen bereits in den Entscheidungen von 2009 und 2010 genannten. Allerdings taucht der Verweis auf die Ehe als der "Ausgangspunkt einer Generationenfolge" hier nicht mehr auf. Es überrascht freilich, dass das Gericht die Rückwirkung der Entscheidung, anders als im Beschluss vom 21.7.2010 damit begründet, der Gesetzgeber hätte bereits nach dem Urteil des BVerfG vom 17.7.2002 erkennen müssen, dass Ungleichbehandlungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft abzubauen seien. Hierzu verweist das BVerfG auf seine Ausführungen in BVerfGE 105, 313, 348. Die Senatsmehrheit führte damals wörtlich aus:
Zitat
"Dem Gesetzgeber ist es wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. BVerfGE 6, 55 <76>). Aus der Zulässigkeit, in Erfüllung und Ausgestaltung des Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich jedoch kein in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. [ … ] Art. 6 Abs. 1 GG privilegiert die Ehe durch einen nur ihr zukommenden verfassungsrechtlichen Schutz und verpflichtet den Gesetzgeber, sie mit den ihr angemessenen Mitteln zu fördern. Ein Gebot, andere Lebensformen zu benachteiligen, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Das Ausmaß des rechtlichen Schutzes und der Förderung der Ehe wird in keinerlei Hinsicht verringert, wenn die Rechtsordnung auch andere Lebensformen anerkennt, die mit der Ehe als Gemeinschaft verschiedengeschlechtlicher Partner nicht in Konkurrenz treten können. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass solche anderen Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind. Sein Schutz- und Förderauftrag gebietet es dem Gesetzgeber allerdings, dafür Sorge zu tragen, dass die Ehe die Funktion erfüllen kann, die ihr von der Verfassung zugewiesen ist."
Diese Textstelle zeigt, dass die Formulierung des BVerfG 2002 nicht so eindeutig war, wie es das Gericht aus der Rückschau erklärt. Eine Begünstigung der Ehe wurde erlaubt, ohne dass dafür weitere Voraussetzungen aufgestellt wurden. Auch in der Literatur wurde damals vertreten, der Gesetzgeber könne, müsse aber nach der Entscheidung von 2002 andere Lebensgemeinschaften nicht ebenso privilegieren wie die Ehe. Auch die 1. Kammer des Zweiten Senats verstand diese Entscheidung im Beschluss vom 20.9.2007 so und berief sich auf BVerfGE 105, 313, 348, um den Ausschluss der Lebenspartner vom beamtenrechtlichen Familienzuschlag zu rechtfertigen.
Ab der Entscheidung von 2009 zur Hinterbliebenenversorgung, in der das BVerfG erklärte, der Verweis auf Art. 6 Abs. 1 GG genüge als Rechtfertigung für eine Privilegierung der Ehe gegenüber der Lebenspartnerschaft nicht, hätte der Gesetzgeber in der Tat erkennen können, dass noch bestehende Ungleichbehandlungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft abgebaut werden müssen. Eine solche Pflicht früher anzunehmen, hätte, so begrüßenswert der Abbau von Diskriminierungen der Lebenspartner ist, anders begründet werden müssen. Dem Gesetzgeber kann nur geraten werden, noch bestehende Ungleichbehandlungen, insbesondere im Bereich des Ehegattensplittings, schnellstmöglich zu beseitigen, um weitere Entscheidungen aus Karlsruhe zu vermeiden.