Die neuen Regelungen zur Verfahrenskostenhilfe haben vielfältige Auswirkungen auch auf die alltägliche Arbeit in den Anwaltskanzleien.
Dabei stellen sich die folgenden Fragen
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nach den Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe in den Anwaltskanzleien:
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welche büroorganisatorischen Konsequenzen haben die Neuregelungen? |
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wie kann der Aufwand möglichst gering gehalten werden? |
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nach den anwaltlichen Pflichten und dem Haftungsrisiko:
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welche Pflichten treffen den Anwalt? (Haftungsrisiko) |
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wie lange dauern diese Pflichten an? |
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kann er seine Pflichten ggf. beendigen oder zumindest einschränken? |
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I. Aufgaben des Anwalts vor der Bewilligung
Noch ungeklärt ist die Frage, welche Verantwortung der Anwalt für die inhaltliche Richtigkeit der Angaben seines Mandanten im Verfahrenskostenhilfe-Formular hat.
Nach § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO ist dem Anwalt die "bewusste Verbreitung von Unwahrheiten" untersagt. Der Anwalt darf danach für seinen Mandanten ungünstige oder diesen belastende Dinge verschweigen. Nur sein Vortrag muss wahr sein, er muss aber nicht alles Wahre, was er weiß, auch vortragen.
Damit ist aber noch keine abschließende Antwort auf die – von jedem Anwalt in eigener Verantwortung zu beantwortende – Frage gegeben, wie der Anwalt sich zu verhalten hat, wenn er erkennt, dass sein Mandant im Verfahrenskostenhilfe-Formular wesentliche Einkommenspositionen verschwiegen bzw. falsch angegeben hat:
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Muss er den Mandanten auf die Unzulässigkeit und Strafbarkeit dieses Verhaltes hinweisen? |
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Darf er dieses Formular an das Gericht weiterleiten? |
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Darf er die Weiterleitung verweigern? |
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Darf er dem Gericht seine Kenntnisse mitteilen? |
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Muss er dem Gericht seine Kenntnisse mitteilen, wenn der Mandant das Formular selbst einreicht? |
II. Aufgaben des Anwalts nach der Bewilligung
Besondere Bedeutung für die anwaltliche Praxis hat die Frage, ob die im Gesetz vorgesehenen gerichtlichen Überprüfungen und die daraufhin ergehenden Entscheidungen
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direkt zwischen dem Gericht und dem Mandanten des ja bereits abgeschlossenen Verfahrens abgewickelt werden |
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oder ob der Anwalt, der den Mandanten im abgeschlossenen Verfahren vertreten hat, weiter verpflichtet und daher einzubeziehen ist. |
Der BGH hat entschieden, dass die Vollmacht des im ursprünglichen Verfahren bestellen Verfahrensbevollmächtigten auch im Überprüfungsverfahren fortwirkt mit der Folge, dass das Gericht sich nicht direkt an den Mandanten wenden darf, sondern mit dem Anwalt kommunizieren muss. Daher sind Beschlüsse in diesem Verfahren über Widerruf oder Abänderung der Verfahrenskostenhilfe dem bisherigen Verfahrensbevollmächtigten und nicht dem Beteiligten selbst zuzustellen. Gleiches muss dann aber auch für die zur Beschlussvorbereitung erforderlichen Verfahrenshandlungen des Gerichts wie Anhörungen und Fristsetzungen gelten, denn der Anwalt kann nur dann die Interessen des Mandanten im Überprüfungsverfahren sachgerecht vertreten, wenn er bereits in diese vorbereitenden Schritte eingebunden wird.
Praxishinweise:
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Konsequenz dieser Entscheidung ist, dass der Anwalt auch noch bis zum Ablauf der 4-Jahresfrist des § 120a Abs. 1 S. 4 ZPO allein zulässiger Ansprechpartner für das Gericht ist. |
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Für die anwaltliche Praxis führt diese BGH-Rechtsprechung zu erheblichen Mehrbelastungen während der gesamten Zeit der "VKH-Nachsorge" von vier Jahren nach Abschluss des Verfahrens. |
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Es ist dann allein Sache des Anwalts,
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die vom Gericht übermittelten Schriftstücke fristgerecht an den Mandanten weiterzuleiten! |
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die Antworten des Mandanten dem Gericht mitzuteilen. |
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Unterlässt der Anwalt die erforderlichen Maßnahmen, der Partei nachteilige Entscheidungen zur Prozesskostenhilfe anzugreifen, da er das Mandat als beendet ansieht, so kann der Partei bei Einlegung eines eigenen Rechtsmittels Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist gewährt werden. |