Das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) vom 17.12.2008, in Kraft getreten am 1.9.2009, greift den Gedanken des Einvernehmens in § 156 FamFG auf. Diese Regelung beruht auf der Erkenntnis, dass in eigener Verantwortung getroffene einverständliche Vereinbarungen leichter getragen und eingehalten werden können als fremde Entscheidungen. Das Wiedererlernen von elterlicher Kommunikation zum Wohl der Kinder ist das Ziel. Dem geht einher auch die Einführung des gesetzlichen Vorrang- und Beschleunigungsgebots, das die Entschärfung des Elternkonflikts bezweckt. Der frühe erste Termin, spätestens 1 Monat nach Beginn des Verfahrens (§ 156 Abs. 2 S. 2 FamFG) hat die Aufgabe, dass die elterliche Auseinandersetzung um das Kind nicht durch anwaltliche Schriftsätze und die schriftliche Stellungnahme des Jugendamtes verfestigt und u.U. sogar verschärft wird. Damit das nicht geschieht, trägt das Vorrang- und Beschleunigungsgebot eben auch zur Förderung des elterlichen Einvernehmens bei. Das Vorrang und Beschleunigungsgebot steht daher nicht isoliert neben dem Hin- und Mitwirken auf Einvernehmen, sondern steht mit ihm im engen Zusammenhang.
a) Herbeiführung des Einvernehmens durch das Gericht
Das Hinwirken auf Einvernehmen richtet sich zunächst an das Gericht. Es hat nach § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG in Kindschaftssachen, die die elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Mit dieser einschränkenden Formulierung weist der Gesetzgeber darauf hin, dass der Forderung nach einvernehmlicher Regelung im Einzelfall (auch) Grenzen gesetzt sind. Der Gesetzgeber anerkennt, dass es durchaus Fälle gibt, in denen die Situation des Kindes im Elternkonflikt eine gerichtliche Entscheidung zwingend erfordert. Das gerichtliche Verfahren darf daher nicht zu einer Einigungspflicht ausarten. Der Kinderschutz hat eindeutig Vorrang vor Elternautonomie.
Darüber hinaus ergibt sich das an das Gericht zu stellende Hinwirken auf Einvernehmen auch aus der Vorschrift des § 165 Abs. 1 S. 1 FamFG. Danach vermittelt das Gericht auf Antrag eines Elternteils zwischen den Eltern, wenn ein Elternteil geltend macht, dass der andere Elternteil die Durchführung einer gerichtlichen Entscheidung oder einen gerichtlich gebilligten Vergleich über den Umgang mit dem gemeinschaftlichen Kind vereitelt oder erschwert. Im Interesse des Kindeswohls soll auf die Vollstreckung der Umgangsregelung mit Zwangsmitteln verzichtet werden. Nach § 165 Abs. 4 FamFG soll das Gericht darauf hinwirken, dass die Eltern Einvernehmen über die Ausübung des Umgangs erzielen. Kommt ein gerichtlich gebilligter Vergleich zustande, tritt dieser an die Stelle der bisherigen Regelung. Wird ein Einvernehmen nicht erzielt, sind die Streitpunkte im Vermerk festzuhalten. Wird weder eine einvernehmliche Regelung des Umgangs noch Einvernehmen über eine nachfolgende Inanspruchnahme außergerichtlicher Beratung erreicht, stellt das Gericht durch nicht anfechtbaren Beschluss fest, dass das Vermittlungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Der Richter soll in Kindschaftssachen möglichst Vermittler und nicht Entscheider sein. Erst wenn trotz gerichtlicher Hilfemöglichkeit die Eltern nicht in der Lage sind, eine einvernehmliche Regelung ihrer elterlichen Verantwortung entsprechend vorzunehmen, hat das Gericht eine Entscheidung an Stelle der Eltern zu treffen. Aber besser ist es stets, die Eltern zu befähigen, ihre Konflikte soweit zu verarbeiten, dass sie für die Kinder wieder zur Verfügung stehen.
Das Hinwirken zum Einvernehmen ist auch darin zu sehen, dass das Gericht auf die Beratungsmöglichkeit der Jugendhilfe nach den §§ 17, 18, 27 und 28 SGB VIII hinweist und in geeigneten Fällen auch auf die Möglichkeit der Mediation aufmerksam macht, § 156 Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG.
Die gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte gehörte nach § 278 Abs. 1 ZPO von jeher zum Selbstverständnis des Gerichts. Es hatte in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Der Güterichter tritt im Rahmen der Güteverhandlung an die Stelle des Prozessgerichts, § 278 Abs. 5 ZPO. Hierin besteht ein großer Unterschied zu der Stellung des Familienrichters im Verfahren. Denn hier behält er selbst die Fäden in seiner Hand. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass das Hin- und Mitwirken auf Einigung in Kindschaftssachen nach § 156 FamFG weiter geht als das in ZPO-Verfahren oder in den früheren FG-Angelegenheiten. Denn nunmehr erfordert das Einvernehmen die Einbindung sämtlicher am Verfahren professionell Beteiligten.