Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich Fragen der Zulässigkeit und Notwendigkeit der Anordnung eines "Wechselmodells" gegen den Willen eines Elternteils gestreift und hat dabei Feststellungen zum Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers (1) und zu den Anforderungen an die gerichtliche Entscheidung im konkreten Anwendungsfall (2) getroffen.
1. Anforderungen an den Gesetzgeber
Der Gesetzgeber hat für die Regelung der Elternverantwortung im Trennungsfall einen Ausgestaltungsspielraum. Die Einbeziehung aller Eltern in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG bedeutet nicht, dass allen Müttern und Vätern stets die gleichen Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind eingeräumt werden müssen. Weil die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung nach einer Trennung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen erfordert, obliegt es dem Gesetzgeber, den einzelnen Elternteilen bestimmte Rechte und Pflichten zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung fehlen. Seine Gestaltungsbefugnis ist dabei umso größer, je weniger von einer Übereinstimmung zwischen den Eltern und von einer sozialen Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind ausgegangen werden kann. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht zur Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils dreierlei festgestellt:
Erstens überschreitet der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht dadurch, dass er die Anordnung paritätischer Betreuung nicht als Regelfall vorsieht. Aus Art. 6 Abs. 2 GG und der dazu bislang ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt nicht, dass der Gesetzgeber den Gerichten für die Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennt lebender Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorgeben und eine abweichende gerichtliche Regelung als Ausnahme ausgestalten müsste.
Zweitens hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob der Gestaltungsspielraum überschritten und die Gesetzeslage damit verfassungswidrig wäre, wenn sie die gegen den Willen eines Elternteils getroffene Anordnung paritätischer Betreuung ausschlösse, ausdrücklich ebenso offen gelassen wie die primär von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem Fachrecht eine solche Anordnung ausgeschlossen ist oder nicht.
Drittens hat das Bundesverfassungsgericht infrage gestellt, aber ebenfalls nicht entscheiden müssen, ob die bisweilen vertretene Annahme zutrifft, die Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils sei von Verfassungs wegen ausgeschlossen.
2. Anforderungen an die Gerichte
Unabhängig davon, ob die Regelung der paritätischen Betreuung gegen den Willen eines Elternteils – so sie denn möglich ist – als Frage der elterlichen Sorge oder als Umgangsregelung eingeordnet würde, kann über eine paritätische Betreuung des Kindes im konkreten Fall nur nach der jeweiligen Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls und unter Beachtung der berechtigten Interessen der Eltern sachgerecht entschieden werden. Denn sowohl im Rahmen des § 1671 BGB als auch bei der Anwendung des § 1684 BGB müssen die Fachgerichte die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern wie auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen und sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. Ausschlaggebend ist dabei im Zweifel das Wohl des Kindes.