Da eine Geltendmachung von Kindesunterhalt bezogen auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse und damit abweichend von den Tabellenwerten grundsätzlich möglich ist, kann natürlich – erst recht – Unterhalt nach konkretem Bedarf gefordert werden, wenn der Unterhaltspflichtige ein Einkommen erzielt, welches oberhalb der 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle liegt.
Die Tabellensätze sollen in diesen Fällen aber nicht fortgeschrieben werden, sondern der Unterhalt soll konkret gefordert und nach den Umständen des Falles bemessen werden.
Eine grundsätzliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches eines Kindes auf den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle ist also nicht vorgesehen. Denn auch bei höheren Einkommen soll sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonderen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht, an die sie sich vielfach im Zusammenleben mit ihren Eltern gewähnt haben und die ihnen auch nach einer Trennung der Elterngrundsätzlich erhalten bleiben soll.
Eine Sättigungsgrenze im Sinne einer Kappungsgrenze, vergleichbar mit dem Ehegattenunterhalt, gibt es beim Kindesunterhalt jedoch nicht. Die immer wieder vorgetragene Wertung, dass der Grundbedarf eines Kindes regelmäßig durch die Sätze der Düsseldorfer Tabelle gedeckt sei, steht insoweit nicht nur in Widerspruch zu den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bezogen auf die hohen Einkommensgruppen, s.o.
Diese Auffassung verkennt auch, dass gerade bei hohen Einkommen und den sich daraus entwickelten individuellen Lebensverhältnissen eine pauschalierte Betrachtung unter Verweis auf den "durchschnittlichen Verbrauch" gleichaltriger Kinder nicht mehr erfolgen kann. Denn maßgeblich sind insoweit nicht die Lebensverhältnisse andere Kinder, sondern die Lebensverhältnisse der unterhaltpflichtigen Eltern.
Zur Klarstellung: Kinder leiten nach § 1610 BGB ihre Lebensstellung allein von der Lebensstellung des unterhaltspflichtigen Elternteils ab, nicht von der Lebensstellung anderer Kinder.
Und: Die Pauschalisierung über die Tabellensätze erfolgt nur zur Vereinfachung der Einforderung des Unterhalts. Diese ist nicht bindend, was die Höhe des individuellen Bedarfes betrifft.
Das Kind hat vielmehr einen Anspruch auf Teilhabe an den gehobenen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen, jedoch keinen Anspruch auf Teilhabe an Luxus. Welche Verbrauchsausgaben für eine solche gehobene Lebensstellung erforderlich sind und welche Verbrauchsausgaben der Teilhabe am Luxus zuzurechnen sind, ist letztendlich Tatfrage und hängt – auch – von der Wertung des Richters ab. D.h. der zuständige Familienrichter prüft, welche Bedürfnisse des Kindes auf der Grundlage einer Lebensführung, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation des Unterhaltspflichtigen entspricht, angemessen und daher zu befriedigen sind, und welche Wünsche des Kindes als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden brauchen. Es gibt keine Richtlinien, ab wann eine Verbrauchsausgabe noch den gehobenen Lebensverhältnissen geschuldet ist oder ab wann diese schon als Luxus gewertet werde müsste.
Fordert daher das Kind Unterhalt nach konkretem Bedarf bzw. mehr als den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle, muss es nicht nur die gehobenen Lebensverhältnisse darlegen, sondern es muss auch zur Abgrenzung des angemessenen Bedarfes von einem "Luxus-Bedarf" vortragen, wie sich die Lebensverhältnisse während der Zeit des Zusammenlebens mit dem Unterhaltspflichtigen gestaltet haben und dass es sich – dieser Vortrag wird in der Praxis oftmals vergessen – an diese hohen Lebensverhältnisse bereits gewöhnt hat.
Die individuelle Lebensgestaltung der Eltern bzw. des Unterhaltspflichtigen bestimmt letztendlich die "altersgerechten" Bedürfnisse des Kindes. Diese können zahlreiche Urlaube, auch Fernreisen, pro Jahr umfassen, mehrfache monatliche Restaurantbesuche in höherpreisigen Etablissements, höherwertige Kleidung, insbesondere sog. "Markenkleidung" oder sogar "Designer-Outfits".
Diese Ausgaben sind nicht als Luxus zu werten, wenn es bis zur Trennung der Eltern üblich war, dass das Kind an solchen mehrfachen Urlauben und an diesen Restaurantbesuchen teilgenommen hat und mit solchen teuren Kleidungsstücken ausstaffiert wurde. Wenn ein Kind z.B. regelmäßig mit teurer Ski-Kleidung für jede Ski-Saison neu eingekleidet wurde, weil dies nach dem Wunsch der Eltern angemessen erschien, obliegt es nicht der Wertung des Richters oder eines an dem Verfahren nicht beteiligten Dritten, aus erzieherischen oder sozialpolitisch motivierten Gründen die Angemessenheit solcher Ausgaben im Nachhinein in Frage zu stellen. Damit ein Richter aber die Angemessenheit des geforderten Bedarfes bezogen auf die Lebensverhältnisse der Eltern bzw. des unterhaltspflichtigen Elternteils prüfen kann, muss sich aus dem Vortrag des Kindes unmissverständlich ergeben, dass es diesen Bedarf wirklich hat und dass damit nicht verdeckt der Bedarf von Dritten,...