Die Einkommensermittlung nach Zeitabschnitten – Jahreszeitraum für den abhängig Beschäftigten, Mehrjahresdurchschnitt für den Selbstständigen – stellt ein methodisches Vorgehen dar. Es hat sich bewährt in Zeiten einer Einkommensstabilität ohne allgemeine starke Einkommensschwankungen.
Dieses methodische Vorgehen muss aber überprüft werden und gegebenenfalls einer den unterhaltsrechtlichen Erfordernissen nach einer Feststellung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit in den betroffenen Unterhaltszeiträumen eher gerecht werdenden Anpassung weichen, wenn sich die Einkommensverhältnisse als Folge von tiefgreifenden Veränderungen grundlegend verändern. Solche Veränderungen können auf Krankheit, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und, wie sich in der Corona-Pandemie gezeigt hat, auch Kurzarbeit sein.
Dies gilt insbesondere bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens eines Selbstständigen. Zur Ermittlung der Einkommensverhältnisse für die Vergangenheit kann für jeden betroffenen, in Gänze dokumentierbaren, Jahreszeitraum das jeweils erzielte Einkommen des Selbstständigen ohne Bildung eines Mehrjahresdurchschnitts ermittelt werden; das schließt nicht aus, zur Vereinfachung der Berechnung von einem Jahresdurchschnitt auszugehen. Von durchschnittlichen Einkünften aus mehreren Jahren darf das Gericht hingegen nur dann ausgehen, wenn es den rückständigen Unterhalt für diese Gesamtzeit ermittelt oder der laufende Unterhaltsanspruch auf der Grundlage einer Einkommensprognose ermittelt werden muss.
Anders wird bei der Prognose des zukünftig zu erwartenden Einkommens zu verfahren sein. Bei einer solch einschneidenden Zäsur, wie sie in Zeiten der Corona-Pandemie in einzelnen wirtschaftlichen Bereichen festzustellen ist, kann sich die auf Daten aus der Vergangenheit beruhende Prognose als nicht mehr sachgerecht erweisen, wenn sich die Ertragskraft des selbstständigen Wirkens negativ verändert hat und nicht absehbar ist, ob überhaupt und wann sich die früheren wirtschaftlichen Verhältnisse wiedereinstellen werden. Die sodann ab diesem Zeitpunkt vorzunehmende Anpassung der Unterhaltspflichten an die veränderten tatsächlichen Einkommensverhältnisse ist das notwendige Korrektiv für die jeder Prognose anhaftenden Unsicherheiten. Deshalb kann die der Vorentscheidung unterlegte Prognose des unterhaltsrechtlichen Einkommens nach den aktuellen Entwicklungen abgeändert werden.
Einkommensverhältnisse vor der Pandemie dürften dann keine tragfähige Grundlage der Prognose bilden, wenn sie nicht mehr repräsentativ für die Zukunft sein können. Die Pandemie und deren Folgen sind in den vielfach eingetretenen Einkommensrückgängen deutlich spürbar. Dann kann es unterhaltsrechtlich – für Vergangenheit und Zukunft – nur auf das in der Krise verfügbare Einkommen ankommen.