Geringe oder fehlende Leistungsfähigkeit tritt in der Regel ein, wenn der Unterhaltspflichtige sich in einer Ausbildung, etwa durch Umschulung, befindet oder diese angeht. Dem Unterhaltsverlangen des minderjährigen Kindes wird dann vielfach entgegengehalten, zwar derzeit nicht oder nur eingeschränkt Unterhalt leisten zu können, aber nach erfolgreicher Ausbildung in die Lage versetzt zu sein, entsprechend dem erwarteten höheren Einkommen auch höheren Unterhalt zahlen zu können. Diese Interessenkollision löst die Rechtsprechung wie folgt: Einer Erstausbildung ist regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht der Vorrang einzuräumen, da diese zum eigenen Lebensbedarf eines Unterhaltspflichtigen gehört. Verfügt ein unterhaltspflichtiger Elternteil über keine abgeschlossene Berufsausbildung, ist die bisher ausgeübte Tätigkeit als ungelernte oder angelernte Hilfskraft fortgefallen und bestehen reale Arbeitsmöglichkeiten in diesem Bereich nicht mehr, kann er eine Ausbildung auch dann aufnehmen, wenn die Schulzeit länger zurückliegt.
Indes kann dies anders sein, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf die Ausübung von ungelernten Tätigkeiten beschränkt hat und sich erst später zur Aufnahme einer Berufsausbildung entschließt, obwohl sich der Anlass, seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung zu verbessern, für ihn nicht verändert hat. In derartigen Fällen ist zu prüfen, ob es dem Unterhaltspflichtigen nicht zuzumuten ist, die nunmehr angestrebte Ausbildung zu verschieben und ihre Aufnahme so lange zurückzustellen, bis die Kinder nicht mehr unterhaltsbedürftig sind oder mit einem etwaigen reduzierten Unterhalt, den der Unterhaltspflichtige auch während der Ausbildung zu leisten vermag, ihr Auskommen finden.
Hat sich der Unterhaltspflichtige in der Vergangenheit auf die Ausübung ungelernter Tätigkeiten beschränkt, ist aber für den Vorrang des Unterhaltsinteresses des Kindes erforderlich, dass der Unterhaltspflichtige ungelernte Tätigkeiten über einen längeren – mehrjährigen – Zeitraum ausgeübt hat. Im entschiedenen Fall hatte der 45 Jahre alte unterhaltspflichtige Elternteil seit vielen Jahren als ungelernte Kraft gearbeitet. Es mangelte ferner an substantiiertem Vortrag dazu, warum er gerade jetzt – nach Verfahrensbeginn – seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung zu verbessern suchte.
Das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt auch dann hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalts zurück, wenn der Unterhaltspflichtige bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und er in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.