Die Corona-Pandemie hat für die im Unterhaltsrecht zentrale Aufgabe einer durchschnittlichen Ermittlung der unterhaltsrelevanten Einkünfte des abhängig Beschäftigten wie des selbstständig Tätigen erhebliche Auswirkungen gezeitigt. Ein Ende der Pandemie ist noch nicht in Sicht. Die Einkommensermittlung muss darauf ausgerichtet sein, die tatsächliche Leistungsfähigkeit zu erfassen, die aber in dieser Phase vielfach von schwankenden Einkünften geprägt ist und durch staatliche Unterstützungsleistungen beeinflusst werden kann.[14]

[14] S. dazu Borth, FamRZ 2022, 1153.

1. Methoden der Einkommensermittlung

Die Einkommensermittlung nach Zeitabschnitten – Jahreszeitraum für den abhängig Beschäftigten, Mehrjahresdurchschnitt für den Selbstständigen – stellt ein methodisches Vorgehen dar. Es hat sich bewährt in Zeiten einer Einkommensstabilität ohne allgemeine starke Einkommensschwankungen.

Dieses methodische Vorgehen muss aber überprüft werden und gegebenenfalls einer den unterhaltsrechtlichen Erfordernissen nach einer Feststellung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit in den betroffenen Unterhaltszeiträumen eher gerecht werdenden Anpassung weichen, wenn sich die Einkommensverhältnisse als Folge von tiefgreifenden Veränderungen grundlegend verändern. Solche Veränderungen können auf Krankheit, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und, wie sich in der Corona-Pandemie gezeigt hat, auch Kurzarbeit sein.

Dies gilt insbesondere bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens eines Selbstständigen. Zur Ermittlung der Einkommensverhältnisse für die Vergangenheit kann für jeden betroffenen, in Gänze dokumentierbaren, Jahreszeitraum das jeweils erzielte Einkommen des Selbstständigen ohne Bildung eines Mehrjahresdurchschnitts ermittelt werden; das schließt nicht aus, zur Vereinfachung der Berechnung von einem Jahresdurchschnitt auszugehen. Von durchschnittlichen Einkünften aus mehreren Jahren darf das Gericht hingegen nur dann ausgehen, wenn es den rückständigen Unterhalt für diese Gesamtzeit ermittelt oder der laufende Unterhaltsanspruch auf der Grundlage einer Einkommensprognose ermittelt werden muss.[15]

Anders wird bei der Prognose des zukünftig zu erwartenden Einkommens zu verfahren sein. Bei einer solch einschneidenden Zäsur, wie sie in Zeiten der Corona-Pandemie in einzelnen wirtschaftlichen Bereichen festzustellen ist, kann sich die auf Daten aus der Vergangenheit beruhende Prognose als nicht mehr sachgerecht erweisen, wenn sich die Ertragskraft des selbstständigen Wirkens negativ verändert hat und nicht absehbar ist, ob überhaupt und wann sich die früheren wirtschaftlichen Verhältnisse wiedereinstellen werden. Die sodann ab diesem Zeitpunkt vorzunehmende Anpassung der Unterhaltspflichten an die veränderten tatsächlichen Einkommensverhältnisse ist das notwendige Korrektiv für die jeder Prognose anhaftenden Unsicherheiten. Deshalb kann die der Vorentscheidung unterlegte Prognose des unterhaltsrechtlichen Einkommens nach den aktuellen Entwicklungen abgeändert werden.[16]

Einkommensverhältnisse vor der Pandemie dürften dann keine tragfähige Grundlage der Prognose bilden, wenn sie nicht mehr repräsentativ für die Zukunft sein können. Die Pandemie und deren Folgen sind in den vielfach eingetretenen Einkommensrückgängen deutlich spürbar. Dann kann es unterhaltsrechtlich – für Vergangenheit und Zukunft – nur auf das in der Krise verfügbare Einkommen ankommen.[17]

[15] Dazu BGH, Urt. v. 4.7.2007 – XII ZR 141/05, NJW 2008, 57 = FamRZ 2007, 1532 Rn 23 m. Anm. Maurer.
[16] Dazu OLG Bamberg, Beschl. v. 31.3.2022 – 2 UF 23/22, NJW 2022, 1629 = BeckRS 2022, 7047 bespr. v. Obermann, NZFam 2022, 459.
[17] Anders Niepmann, NZFam 2020, 383: Abänderung kann aus derzeitiger Sicht erst zum 1.1.2021 verlangt werden, weil sich erst dann der mögliche coronabedingte Einkommensrückgang unterhaltsrechtlich auswirkt; dazu auch Schürmann, FamRB 2020, 199, 201; s. auch Borth, FamRZ 2020, 653.

2. Behandlung von staatlichen Unterstützungsleistungen

Corona-Soforthilfen vom Bund, die in den ersten Monaten der Pandemie als reine Billigkeitsleistung nicht an entgangene Umsätze anknüpften, sondern allein der Hilfe in existentieller Notlage dienten, sind für Solo-Selbstständige, Freiberufler sowie für kleine Unternehmen bis zu 5 Beschäftigte i.H.v. 9.000 EUR, bis 10 Beschäftigte i.H.v. 15.000 EUR geschaffen worden. Diese einmaligen Hilfen für Selbstständige sind allerdings zweckgebunden für den Fortbestand des Betriebes zu verwenden. Sie sind kein frei verfügbares Einkommen zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs. Sie dienten nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne.[18]

Für Betroffene steht die unter erleichterten Voraussetzungen erreichbare Grundsicherung des SGB II zur Verfügung.[19]

Demgegenüber sind Einnahmen aus der Corona-Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe III) gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Leistungsbeziehers zu berücksichtigen. Anders als Corona-Soforthilfen bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes III nach betrieblichen Kennz...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge