Dr. Fritz R. Osthold
Es ist nun rund acht Monate her, dass die Russische Föderation am 24.2.2022 einen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf ukrainischem Boden begonnen hat. Die ökonomischen Folgen dieses Krieges spüren wir alle auch hierzulande seit Monaten. Die ohnehin schon seit Juli 2021 über dem offiziellen sog. symmetrischen mittelfristigen Ziel der EZB von 2 % liegende Inflation ist seit Kriegsbeginn noch einmal auf über 7 % gestiegen. Dies hat seinen Grund neben den pandemiebedingten Angebotsverknappungen auf dem Weltmarkt auch in den explodierenden Energiepreisen, auf welche die Zentralbanken derzeit mit Zinserhöhungen reagieren.
Alle diese Folgen kommen nun auch in unserer täglichen Praxis an. Daher lohnt ein Blick auf einige der möglichen Reaktionen, die sich aus diesen Umständen ableiten könnten. Die gestiegene Inflation löst bei den Berechnungen der Zugewinne im Güterrecht durch die gefestigte Rechtsprechung der Berücksichtigung der Geldentwertung keine Besonderheiten aus, auch wenn man die Geldentwertung natürlich auch hier feststellen wird. Im Unterhaltsrecht ist dies differenzierter zu betrachten. Sollte die Bundesregierung weitere Entlastungen beschließen, dürften diese bei der Einkommensberechnung grundsätzlich zu berücksichtigen sein (so etwa wohl beim Kinderbonus und der Energiepreispauschale).
Beim Kindesunterhalt ist durch § 1612a Abs. 4 BGB i.V.m. mit der Mindestunterhaltsverordnung sichergestellt, dass eine regelmäßige Anpassung des Bedarfs des Kindes alle zwei Jahre erfolgt. Hat der Gesetzgeber hier ein direktes Steuerungsinstrument, so fehlt dies auf Seiten der Unterhaltsschuldner, da die Selbstbehalte statisch bemessen sind. Hier gilt es umso mehr zu beherzigen, die Selbstbehalte im Einzelfall bei stark angestiegenen Lebenshaltungskosten und Energiepreisen beim Wohnen auszuweiten und auch in den Verfahren entsprechend vorzutragen. Dieser Punkt wird wohl große Bedeutung erlangen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist die Bemessung des Selbstbehalts stets Sache des Tatrichters, der sich an den Leitlinien der OLG und der Düsseldorfer Tabelle nur orientieren soll. Im Ehegattenunterhaltsrecht sind die Bedarfe dagegen nicht an die Inflation angepasst. Während bei der konkreten Bedarfsbemessung die Inflation in Rechtsprechung und Literatur als Abänderungsgrund für eine Erhöhung des Bedarfs weitgehend anerkannt ist (wenn die Kosten etwa über 10 Prozent steigen), stehen die Gerichte und die Literatur beim Quotenunterhalt einer Abänderung zugunsten des Gläubigers eher ablehnend gegenüber, da die Kaufkraft nicht Bezugspunkt der Bedarfsberechnung ist. Allerdings können inflationsbedingt gestiegene Gehälter indirekt eine Abänderung und Anpassung ermöglichen. Auch beim Ehegattenunterhalt sind die Selbstbehalte zu erhöhen, wenn die (Wohn)kosten massiv steigen.
Besonderes Augenmerk verdienen noch Vereinbarungen aus Anlass der Trennung und Scheidung. Hier kann die Preisentwicklung berücksichtigt werden. Sog. Wertsicherungsklauseln sind nach § 3 Preisklauselgesetz dann zulässig, wenn sie sich an einem Preisindex orientieren, der durch das Statistische Bundesamt oder ein Statistisches Landesamt oder am Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaft ermittelt worden ist. Anders als teilweise vor dem 14.9.2007 sind solche Klauseln auch nicht genehmigungsbedürftig. In diesem Fall würde der Bedarf automatisch entsprechend steigen, ohne dass dafür überhaupt Auskunftsansprüche geltend gemacht werden müssten (die in diesem Fall wohl auch nicht bestehen dürften). Auch der BGH hält die Wertsicherungsklausel in diesem Fall für ausreichend bestimmt und daher auch für vollstreckbar. Alternativ können vertragliche Abänderungsgründe ab einer bestimmten Höhe und Dauer der Inflation in Betracht kommen, die nicht automatisch zu einer Anpassung führen, sondern eine Art Verhandlungspflicht begründen, wobei eine Anpassung dann nur möglich ist, wenn keine sonstigen Gründe entgegenstehen. Auch eine Unterhaltsabfindung kann für den Gläubiger interessant sein, wenngleich die Inflation keinen wichtigen Grund nach § 1585 Abs. 2 BGB bilden dürfte.
Die Kriegsfolgen schlagen sich also auch im Familienrecht nieder und bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit.
Autor: Dr. Fritz R. Osthold
Dr. Fritz R. Osthold, Pinneberg
FF 10/2022, S. 381