Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 24.7.2013 (XII ZB 340/11) festgestellt, dass die im Ausgangsverfahren zum Versorgungsausgleich übersehenen, verschwiegenen oder vergessene Anrechte weder im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG noch im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 20 ff. VersAusglG ausgeglichen werden können.
Solange die ausgleichspflichtige Person aus einer übersehenen, vergessenen oder verschwiegenen Versorgung Rentenleistungen bezieht, wäre es im Prinzip möglich, dem insoweit benachteiligten Ehegatten einen Anspruch auf die Rente in Höhe der Hälfte des ehezeitlich erworbenen Versorgungsanspruchs unmittelbar gegen den geschiedenen Ehegatten zuzusprechen. § 20 Abs. 1 VersAusglG könnte nach dem Wortlaut diese Möglichkeit eröffnen. Dieser in Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung hat der BGH eine Absage erteilt. Der spätere Ausgleich von solchen Anrechten führe zu einer nicht gewünschten Rechtskraftdurchbrechung, da diese Anrechte bereits zum Zeitpunkt der Erstentscheidung als ausgleichsreife Anrechte vorhanden gewesen seien.
Aufgrund der derzeitigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es damit ausgeschlossen, übersehene, vergessene oder absichtlich verschwiegene Anrechte zu einem späteren Zeitpunkt noch auszugleichen.
Im Hinblick auf die Vielzahl der im Versorgungsausgleich oftmals auszugleichenden betrieblichen, privaten und gesetzlichen Versorgungen der beteiligten Eheleute kommt es immer wieder dazu, dass vorsätzlich oder fahrlässig ehezeitlich erworbene Versorgungen von den Ehegatten nicht beauskunftet werden und teilweise – obwohl beauskunftet – von den Gerichten beim Ausgleich übersehen werden. Derartige Entscheidungen sind mit dem Halbteilungsgrundsatz in keiner Weise vereinbar.
Durch das Gesetz zur Änderung des Versorgungsausgleichsrecht vom 12. 5. 2021 wurde in bestimmten Fällen des "Kapitalverzehrs" der schuldrechtliche Versorgungsausgleich auf Wunsch der ausgleichsberechtigten Person zugelassen, wenn durch laufende Rentenleistungen an die ausgleichspflichtige Person das Anrecht so aufgezehrt wird, dass aus dem verbliebenen Ausgleichswert ein adäquates Versorgungsniveau für die ausgleichberechtigte Person nicht zu erzielen ist. Auch hier war Grundlage die Rechtsprechung des BGH (BGH FamRZ 2016, 775).