Die eheliche Liebe war, selbst im geschlechtlichen Bereich, ein Verhaltensgebot auf Grund der Eheschließung und nicht Fortsetzung einer innigen Beziehung. Dieses Eheverständnis war bis Anfang des 20. Jahrhunderts prägend. Sachliche Kriterien, nämlich Vermögen, Bildung, Alter, Status, Arbeitskraft, Prestige und Macht sowie bei den körperlichen Vorzügen vor allem Zeugungs- bzw. Gebärfähigkeit prägten den Heiratsmarkt. Es wurde, jedenfalls am Land, „selten aus Liebe“ geheiratet. Ehen wurden durch Unterhändler, sog. Schmuser, die im Hauptberuf meist Viehhändler waren, vermittelt. Beim sog. "B'schaugehn" wurden zunächst Haus und Stall gemustert. Sodann wurden zwischen den Familien die zukünftigen Vermögensverhältnisse einschließlich des ehelichen Güterrechts geklärt.
Der Jurist Ludwig Thoma hat in seiner Erzählung "Die Probier", die er 1898 für den "Simplicissimus" geschrieben hatte, das Aushandeln einer Hofübergabe durch die Eltern und die Begleitumstände anschaulich beschrieben: "Die Ehe ist ein Vertrag, wie ein anderer auch. Soll er richtig werden, dann müssen die Leute wissen, wie sie daran sind. Deswegen muss man sich vorher alles genau anschauen, damit man nicht hinterher ausgeschmiert ist … Kurz und gut, der Nazi ist der Meinung, dass man keine Katz´ nicht im Sack kauft, und während die Eltern die Übergabe des Hofes besprechen müssen, hat er eine andere Prüfung vor, die nicht weniger wichtig ist … Es wird kein Wort darüber verloren. Das ist einmal so Brauch. Die Eltern haben nichts dagegen, und die Ursula auch nicht. Sie tut wohl ein bissel geschämig … Dann aber … geht (sie), ohne dass es ein Zureden gebraucht hätte, langsam die Stiege hinauf, den Gang hinter, in die Menscherkammer. Der Nazi marschiert tapfer hinterdrein … Wir müssen die Zwei schon allein lassen und wieder zu den Alten hinuntergehen, die in der Stube eifrig verhandeln. Die Bäuerinnen sitzen auf der Ofenbank und horchen zu, wie die Mannsbilder den Austrag besprechen und das Abstandsgeld." Die beiden Jungen erscheinen wieder, als sich der Brandlbauer und der Reischl geeinigt und verabredet haben, es morgen notarisch zu machen. Der Nazi gibt der Ursula ein Drangeld, zum Zeichen, dass auch oben alles in Ordnung befunden worden sei, und dass nunmehr der Vertrag als richtig und fertig gelte.
Thoma hält diese Form der bäuerlichen Moral für ehrlicher als die bürgerliche Doppelmoral. Der Bauer schätze Kindersegen und habe ein schönes Wort für die unehelichen Sprossen gefunden: „Er heißt sie „Kinder der Liebe“ … Wenn man die Esel und die Gänse der sog. besten Gesellschaft ein lediges Kind als “unselige Frucht verbotener Leidenschaft’ bezeichnen hört, versteht man den hohen Vorzug bäuerlicher Ehrlichkeit.“ Etwas realistischer klingt es in seinem Volksstück „Magdalena“: „Dass junge Leut´ Dummheit´n macha, dös woaß ma, und wenn ´s oan aa net freut, dös kommt amal vom Jungsei … aba desweg´n is mei Resi do rechtschaff´n … und brav! … Und was sunst is, dös geht den o, der wos´ amal heirat … aba sunst neamd.“ Die Ehe war, jedenfalls auf dem Land, lange Zeit kein Happy End, sondern ein schwieriger Anfang.