Die Ablehnung jeglichen Altersphasenmodells, auch in modifizierter Form, geht zu weit. Dies ist schon nach der Gesetzeslage nicht geboten, aber auch in der Sache nicht richtig.
aa) Im Gesetz wird das Wort "Einzelfall" nicht erwähnt. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird eine reine Einzelfallbetrachtung keinesfalls gefordert; der Rechtsausschuss hat den Text insofern deutlich eingeschränkt, als kein abrupter, übergangsloser Wechsel von der Eigen- in die Fremdbetreuung zu fordern ist. Schon das schließt eine Modifizierung des Altersphasenmodells also nicht aus.
bb) Der BGH weist in seiner Entscheidung vom 30.3.2011 (s.o. unter II.1d)) darauf hin, der Gesetzgeber habe durch die Neuregelung des § 1570 BGB dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsverlängerung über die "Basiszeit" von drei Jahren hinaus auferlegt. Verändert hat sich gegenüber dem Rechtszustand vor der Gesetzesreform aber insofern nichts, als der betreuende Elternteil auch damals schon die Darlegungs- und Beweislast für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt hatte; ihm kam lediglich das frühere Altersphasenmodell mit dem nach Kindesalter gestaffelten "Raster" zu Gute in der Form, dass er nicht gesondert vortragen musste, wenn sich die ausgeübte Berufstätigkeit im Umfang mit der Einstufung im Modell deckte.
Damit widerspricht ein Altersphasenmodell nicht der gesetzlichen Regelung der Darlegungs- und Beweislast; vielmehr setzt es eine solche Regelung voraus. Die vom BGH geforderte und in der Entscheidung vom 15.6.2011 (s.o. unter II.1f)) nochmals besonders betonte Einzelfallbetrachtung wird schon dem Umstand nicht gerecht, dass Unterhalt ein "Massengeschäft" darstellt, in dem eine gewisse Schematisierung hilfreich ist. Unabhängig hiervon arbeitet auch der BGH in anderen Bereichen durchaus – und zwar ohne jegliche Bedenken – mit Schematisierungen, z.B. in Form der Tabellenbeträge beim Kindesunterhalt. Hier lehnt der BGH es ab, die Barunterhaltspflicht des Schuldners – einzelfallbezogen – in Fällen umfangreichen Aufenthaltes des Kindes bei ihm zu reduzieren, sofern der Aufenthalt bei weniger als 50 % liegt. Dort könnte man dem Einzelfall etwa in Form einer Herabstufung im Rahmen der Tabellenbeträge gerecht werden, ohne die Vorteile einer Pauschalierung zu verlieren. Warum sollte man dann nicht auch beim Betreuungsunterhalt – jedenfalls beim gesunden und altersentsprechend entwickelten Kind – von einem "Raster" ausgehen und etwaigen Abweichungen im Einzelfall Rechnung tragen? Immerhin war es der BGH selbst, der – nach der Gesetzesreform – von auf Erfahrungswerten basierenden Fallgruppen gesprochen hat.
cc) Schließlich bestehen auch in der Sache Bedenken gegen die generelle Ablehnung eines Altersphasenmodells:
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Psychologie und Sozialwissenschaften geben Empfehlungen zum Umfang der elterlichen Betreuung, bei der Altersstufen eine Rolle spielen. |
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Altersbezogen sind auch die einfachen Fertigkeiten des Kindes (z.B. Zähneputzen, Schuhe zubinden, selbst duschen), die sich mit zunehmendem Alter verändern. |
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Grundlagen zum Umfang der tatsächlichen Erwerbstätigkeit von kindesbetreuenden Eltern liegen vor. |
Zu diesen Punkten findet man nichts in den aktuellen Entscheidungen des BGH; erst recht fehlt eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass Kinder getrennt lebender oder geschiedener Eltern in gestörten Verhältnissen leben, die einen besonderen Betreuungsbedarf indizieren. Bei Kindern in dieser Situation geht es schließlich nicht nur um sichtbare Störungen (z.B. in Form von Lernschwierigkeiten, Aggressionen, Erkrankungen), sondern auch um "seelische Narben", die versteckt sind und sich u.U. möglicherweise erst sehr viel später zeigen.
Die geforderte Fremdbetreuung kann diesen Umständen nicht in ausreichendem Umfang Rechnung tragen:
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Quantitativ ist zu berücksichtigen, dass in den Ferien oder zu bestimmten Tageszeiten eine Fremdbetreuung nicht erreichbar ist. Für Krankheitsbetreuung, Arztbesuche und Transporte zu Freunden, Geburtstagen oder zum Sport scheidet sie ebenfalls aus. |
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Qualitativ wird eine Fremdbetreuung die persönliche Zuwendung durch den Elternteil häufig nicht ersetzen können. Welcher Dritte kann die Kümmernisse der Kinder nach der Schule (Streit mit Lehrern, "Zickenkrieg" mit Mitschülern, Pubertätsprobleme, Mobbing) wirklich auffangen? Auch eine Hausaufgabenbetreuung wird häufig wohl mehr Beaufsichtigung als individuelle Hilfestellung sein, die aber gerade bei Lerndefiziten unverzichtbar ist. |
Auch der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit wird verletzt; denn der Doppelbelastung des betreuenden und berufstätigen Elternteils steht keine zusätzliche Belastung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, z.B. in Form eines erweiterten Umgangs, gegenüber. Nach der aktuellen Entscheidung des BGH vom 1.6.2011 (s.o. unter II.1e)) soll der nicht betreuende Elternteil das Recht haben, eine Umgestaltung des Umgangsrechts zu fordern mit dem Ziel, den betreuenden Elterntei...