Ein Abstellen auf die individuellen Merkmale wird deutlich daran, dass die Anzahl der Kinder (E3) ebenso eine Rolle spielt wie die Frage, was die Ehegatten hinsichtlich des Aussetzens der Kindesmutter mit der Berufstätigkeit bei intakter Ehe vereinbart hatten (E7). Wird ein gemeinschaftliches und ein nicht gemeinschaftliches Kind betreut, ist hinsichtlich der Erwerbspflicht der Unterhalt vom Ehemann begehrenden Kindesmutter nur auf die Belange des gemeinschaftlichen Kindes abzustellen (E15). Dass es entscheidend nicht immer auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, sondern darauf, welche Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden könnten, macht die Entscheidung E20 deutlich; dort wurde die Kindesmutter darauf verwiesen, das Kind im Nachbarort in einem Ganztagskindergarten unterzubringen. In die gleiche Richtung geht die Entscheidung E22. Der Einwand der Kindesmutter, das Kind könne nur Vormittags für drei Stunden im Kindergarten betreut werden, weil es wegen Reizüberflutung regelmäßig seinen Mittagsschlaf halten müsse, wurde nicht akzeptiert unter Hinweis auf das Vorhandensein anderer geeigneter Einrichtungen, die dem Ruhebedürfnis des Kindes Rechnung tragen könnten. Vor allem fehlte auch hier konkreter Sachvortrag in Bezug auf therapeutische Konsequenzen aus den behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen. Dies deckt sich mit den zu den Krankheiten (s.o. unter 2a)) erwähnten Entscheidungen.
Zusätzlicher Druck auf den betreuenden Elternteil dürfte in vielen Fällen durch das Angebot des barunterhaltspflichtigen Elternteils ausgeübt werden, selbst weitere Betreuungsleistungen zu übernehmen und dadurch eine (erweiterte) Berufstätigkeit beim anderen Elternteil zu ermöglichen. In der Entscheidung vom 15.9.2010 (s.o. unter II.1c)) hat der BGH sich erstmals mit dieser Frage befasst. Er hat einerseits hervorgehoben, dass der andere Elternteil grundsätzlich als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen sei, aber andererseits richtigerweise dahin eingeschränkt, dass es sich um ein ernsthaftes und verlässliches Angebot handeln müsse. In der weiteren Entscheidung vom 1.6.2011 (s.o. unter II.1e)) hat der BGH diese Grundsätze bestätigt und dort zusätzlich die Möglichkeit angesprochen, das Umgangsrecht umzugestalten mit dem Ziel der Entlastung des betreuenden Elternteils und der Konsequenz einer weitergehenden Erwerbstätigkeit. Dies dürfte in vielen Fällen zusätzliche Aktivitäten des Schuldners auslösen, denen viele Gerichte vermutlich dadurch begegnen werden, dass sie sich auf eine schon vorliegende abschließende Regelung des Umgangsrechts berufen. Auch in der Entscheidung E9 wird darauf hingewiesen, dass kindbezogene Gründe für eine nur teilschichtige Arbeitsverpflichtung des betreuenden Elternteils entfallen können, wenn der geschiedene Ehepartner eine Mitbetreuung anbietet.