Die Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht auf dem 62. Deutschen Anwaltstag stand unter dem Zeichen des europäischen Familienrechts, passend zu dem Thema des diesjährigen Deutschen Anwaltstags – Anwälte in Europa – Partner ohne Grenzen.
Rechtsanwalt Dr. Mathias Grandel moderierte die Veranstaltung und eröffnete diese mit dem Hinweis auf die ungeliebten Akten des Anwalts, die die Anwendung europarechtlicher und internationaler Vorschriften erforderlich machten. Die Schwierigkeit liege bereits darin, dass es keine durchgängige einheitliche Bezeichnung dieser Normen in Literatur und Rechtsprechung gebe.
Kenntnisse auf diesem Gebiet seien für einen im Familienrecht tätigen Anwalt jedoch unerlässlich, da jedes Jahr mehrere 100.000 Personen verschiedener Nationalität die Ehe miteinander schließen.
Prof. Dr. Wolfgang Hau, Universität Passau, eröffnete die Veranstaltung mit dem ersten Vortrag, der den Titel "Grenzüberschreitende Vollstreckung" trug. Der Referent stellte das Thema anhand des Internationalen Unterhaltsverfahrensrechts dar.
Hau gab zu Beginn seines Vortrags einen Überblick über die verschiedenen Rechtsquellen. Er betonte, dass die grenzüberschreitende Durchsetzung von titulierten Unterhaltsansprüchen immer häufiger vorkomme. Problematisch sei hierbei jedoch das Auseinanderfallen des Titulierungs- und Vollstreckungsorts.
Er sprach auch von dem "Dschungel im internationalen Vollstreckungsrecht", da zum einen das Tätigwerden mehrerer Organisationen bei der Vollstreckung erforderlich wird und zum anderen mehrere Rechtsordnungen mit nicht vereinheitlichten Normen zur Anwendung gelangen.
Hierbei stellt sich nicht die Vollstreckung als solche als größte Schwierigkeit dar, sondern die grenzüberschreitende Anerkennung der Vollstreckungstitel.
Der Vortrag hatte einen aktuellen Bezug, da am 18.6.11 die europäische Unterhaltsverordnung (EuUntVO) und zu ihrer Durchführung das AUG (Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten) in Kraft trat und damit die bisherige Verordnung HUntVÜ 1973 (Haager Übereinkommen vom 2.10.73 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen) ablöst.
Die EuUntVO ist ab dem 18.6.11 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks anzuwenden.
Hau wies darauf hin, dass es außerhalb des Europa- und Konventionsrechts jedem Staat freistehe, in seinem autonomen Recht die Voraussetzungen festzulegen unter denen ausländische Hoheitsakte anerkannt werden. Für Deutschland gelten die §§ 108–110 FamFG. Dabei wurde deutlich, dass sich das deutsche Recht nicht sehr anerkennungsfreundlich darstellt, da es auf dem Gegenseitigkeitsprinzip beruht. Es werden also nur solche ausländischen Titel anerkannt, deren Länder im Gegenzug deutsche Titel anerkennen. Die nach bisherigem Recht erforderliche sog. Vollstreckbarerklärung wird bei dem neuen Recht nicht mehr benötigt. Dies kann zu Nachteilen führen, da keine inhaltliche Überprüfung des Titels mehr stattfindet.
Sodann ging Hau noch auf einige Einzelfragen ein, wie bspw. ob ein Erkenntnisverfahren im Inland trotz existierenden ausländischen Titels erforderlich ist oder wie sog. Annexunterhaltsentscheidungen zu behandeln sind (§ 107 FamFG).
Hau wies darauf hin, dass bei der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen im Ausland der zugrunde liegende Beschluss eine Begründung enthalten muss. Hierauf ist zwingend zu achten bei Titulierung des Anspruchs.
Die Möglichkeit bei der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen im Ausland Rechtshilfe über das Bundesamt für Justiz zu beanspruchen, sollte allgemein wahrgenommen werden.
Zum Abschluss seines Vortrags teilte Hau mit, dass die Chancen des internationalen Rechts zu wenig genutzt werden, da keine oder nur unzureichende Kenntnisse darüber vorhanden wären.
Rechtsanwältin Dr. Kerstin Niethammer-Jürgens konkretisierte ihren Vortrag mit dem Thema "Grenzüberschreitende Kindschaftssachen" in "Der Kampf ums Kind, internationale, europäische und nationale Rechtsgrundlagen mit einem Ausblick auf die aus diesseitiger Sicht notwendigen Reformen".
Anhand von Beispielsfällen zeigte Niethammer-Jürgens die Dramatik solcher gerichtlicher Verfahren und mahnte Reformbedarf an.
Geht ein Kind aus einer bi-nationalen Ehe oder Partnerschaft hervor und verlässt ein Elternteil aufgrund der Trennung mit dem Kind das Land ohne Zustimmung des anderen Elternteils, beginnen die Probleme.
Nach der Brüssel-IIa- Verordnung (Art. 8 VO) ist die internationale Zuständigkeit des Landes gegeben, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser ist per Gesetz jedoch nicht definiert, so dass als nächstes Problem sich die Frage stellt, wer für den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes beweisverpflichtet ist.
Das seit 1990 bestehende Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) definiert das Ziel, eine schnellstmögliche Rückführung des Kindes in das ursprüngliche Land über das Rechtshilfeabkommen zu ermöglichen.
Bei diesen Verfahren besteht eine Eilbedürftigkeit aufgrund des Beschleunigu...