BGB § 1581 § 1609; BEEG § 11
Leitsatz
1. Ist der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nach § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig, ist dessen Unterhaltsanspruch im Rahmen der Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht als sonstige Verpflichtung zu berücksichtigen; der unterhaltsrechtliche Vorrang des geschiedenen Ehegatten wirkt sich bei der Billigkeitsabwägung nach § 1581 BGB vielmehr in Höhe des vollen Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, da die Rangvorschriften des § 1609 BGB selbst Ausdruck einer gesetzlichen Billigkeitswertung sind. (Rn 21)
2. Sind ein geschiedener und ein neuer Ehegatte nach § 1609 BGB gleichrangig, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden (im Anschluss an Senatsurt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09, BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281). (Rn 29)
3. Steht der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen im Bezug von Elterngeld, bleibt der nach § 11 Satz 1 BEEG geschonte Sockelbetrag des Elterngeldes bei der Ermittlung des für die Dreiteilung verfügbaren Gesamteinkommens unberücksichtigt (Fortführung von Senatsurt. v. 21.6.2006 – XII ZR 147/04, FamRZ 2006, 1182). (Rn 39)
4. Übt der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen wegen der Betreuung der im Haushalt lebenden gemeinsamen minderjährigen Kinder keine Erwerbstätigkeit aus, können ihm bei der Ermittlung des Gesamteinkommens fiktive Erwerbseinkünfte zugerechnet werden, wenn und soweit er im hypothetischen Fall einer Scheidung trotz der Kindesbetreuung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit verpflichtet wäre; während der ersten drei Lebensjahre des Kindes kommt dies aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige als Rentner selbst keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht. (Rn 46)
BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13 (OLG Hamburg, AG Hamburg)
1 Aus den Gründen:
[1] A. Die mittlerweile im Rentenalter stehenden Beteiligten streiten im Rechtsbeschwerdeverfahren um die Abänderung einer Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt für den Zeitraum seit dem 7.4.2011.
[2] Der 1942 geborene Antragsteller und die 1946 geborene Antragsgegnerin heirateten am 30.12.1975. Ihre Ehe, aus der eine im Jahre 1978 geborene Tochter hervorgegangen ist, wurde auf einen am 3.4.2008 zugestellten Scheidungsantrag durch Beschluss des Amtsgerichts vom 12.3.2010 rechtskräftig geschieden. Im Scheidungsverbund wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt und der Antragsteller zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts an die Antragsgegnerin verurteilt, dessen Höhe im Berufungsverfahren durch Urteil des Oberlandesgerichts vom 29.10.2010 rechtskräftig auf monatlich 1.853 EUR festgesetzt wurde, davon 1.265 EUR Elementarunterhalt und 588 EUR Krankenvorsorgeunterhalt.
[3] Die Antragsgegnerin hatte in den 1970er Jahren an der Universität Frankfurt Philosophie, Psychologie und Romanistik studiert. Nach der Heirat mit dem Antragsteller, einem Umzug nach Hamburg und der anschließenden Geburt der gemeinsamen Tochter gab sie ihr Studium und ihr Promotionsvorhaben auf. Während der Ehezeit versorgte sie die Tochter und war daneben als freiberufliche Übersetzerin – hauptsächlich für den während der Ehe als Hochschullehrer tätig gewesenen Antragsteller – beschäftigt.
[4] Der Antragsteller ist seit dem Jahr 2008 pensioniert. Er bezieht seither ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Vorschriften und ist noch freiberuflich wissenschaftlich tätig. Am 28.12.2010 heiratete der Antragsteller seine jetzige Ehefrau, eine bei ihm angestellte wissenschaftliche Mitarbeiterin, die das Studium der Geschichte und Philosophie mit dem Magister abgeschlossen hat. Aus der neuen Ehe ging das am 22.7.2011 geborene Kind G. hervor. Seit der Geburt des gemeinsamen Kindes übt die im Jahr 1976 geborene Ehefrau des Antragstellers, die zunächst Mutterschaftsgeld und danach bis zum 21.7.2012 Elterngeld in Höhe von monatlich 608,76 EUR bezogen hatte, keine Berufstätigkeit mehr aus.
[5] Seit dem 1.12.2011 bezieht die Antragsgegnerin eine gesetzliche Altersrente in Höhe von monatlich zunächst 1.449,14 EUR (zuzüglich eines Zuschusses zu ihrer privaten Krankenversicherung in Höhe von 105,79 EUR), die ganz überwiegend auf den im Versorgungsausgleich erworbenen Rentenanrechten beruht. Das bis dahin aufgrund des Pensionistenprivilegs ungekürzt gezahlte monatliche (Brutto-)Ruhegehalt des Antragstellers, welches zuvor noch 3.877,46 EUR betragen hatte, wird seit Dezember 2011 wegen des Versorgungsausgleichs um 1.444,24 EUR gekürzt.
[6] Auf den am 7.4.2011 zugestellten Abänderungsantrag des Antragstellers hat das AG die im Urteil des OLG vom 29.10.2010 festgesetzte Unterhaltspflicht für die Zeit seit dem 7.4.2011 auf monatlich 1.614 EUR (davon 588 EUR Krankenvorsorgeunterhalt) und seit dem 20.7.2011 auf monatlich 1.155,16 EUR (davon 588 EUR Krankenvorsorgeunterhalt) herabgesetzt; für den Zeitraum seit dem 1.12.2011 hat es den Antragsteller nur noch zur ...