Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaften Familienrecht, Sozialrecht und Mediation am 11.und 12.6.2015
Elternunterhalt – erst die Moral, dann das Recht
Die alten und bedürftigen Eltern zu versorgen, ist eine originär sittlich-moralische Pflicht. Wer hätte auch etwas dagegen einzuwenden, dass in einem "Dankesschuld-Verhältnis" die Kinder in ihrem Alter den Eltern die Liebe und Zuwendung zurückgeben, die sie selbst als Kinder erfahren haben? Aber kann daraus auch eine Rechtspflicht erwachsen? Sie kann, schon in den Schriften der Pandektisten war sie zu finden, ebenso in den Motiven zum BGB und auch heute wird in familien- und sozialrechtlichen Aufsätzen munter damit argumentiert. Das sei allerdings sonst im Zivilrecht eher unüblich, gab Dr. Martin Hillebrecht Freiherr von Liebenstein zu bedenken. "Niemand käme auf den Gedanken, den Kaufpreisanspruch des Verkäufers mit der Dankespflicht des Käufers für die empfangene Ware zu bedenken oder die Schadensersatzpflicht wegen einer unerlaubten Handlung mit der Liebe des Täters zum Opfer." Der theologisch, philosophisch und ethnologisch gebildete Jurist sorgte unter den Anwältinnen und Anwälten, die so zahlreich erschienen waren wie zu keiner anderen Veranstaltung auf dem Anwaltstag, für manches Aha-Erlebnis. Denn wer denkt schon im Alltagstrott darüber nach, dass sich der Elternunterhalt von allen anderen Rechtsinstituten des Bürgerlichen Rechts grundlegend unterscheidet. Von Privatautonomie und Handlungsverantwortung jedenfalls gibt es keine Spur. Die unterhaltspflichtigen Nachkommen konnten sich ihre Eltern nicht aussuchen, wie man sich einen Vertragspartner, Gesellschafter oder Ehegatten aussuchen kann. Nicht alle Eltern lieben ihre Kinder, nicht alle versorgen sie gut. Trotzdem sollen die Nachkommen, wenn ihre Eltern bedürftig sind, zur Kasse gebeten werden. Ihre Zahlungspflichten wurzeln allein in ihrer Abstammung. Hillebrecht kam zu dem Ergebnis: Unter den Gegebenheiten des modernen Sozialstaates ist der Elternunterhalt zur Existenzsicherung der älteren Generation weder geeignet noch erforderlich.
Angemessen bis unbillig
Bis in die 1990er-Jahre spielte der Elternunterhalt in der Gerichtspraxis ohnehin keine Rolle. Aber er stand im Gesetz. Und so entdeckten ihn die ersten Kommunen für die Refinanzierung ungedeckter Pflegekosten. Und genau hier liegt die Schnittstelle zum Sozialrecht. Auf der gemeinsamen Veranstaltung der beiden Arbeitsgemeinschaften Familienrecht und Sozialrecht, die sich mit der Altersarmut befasste, wurde Grundlegendes mit praktischen rechtlichen Hinweisen ergänzt. Heinrich Schürmann, Vorsitzender Richter am OLG Oldenburg, gab einen fulminanten Überblick über die Rechtsprechung zum Elternunterhalt – vom "Angemessenen bis zur Unbilligkeit". Aber auch er stellte grundsätzliche Fragen: Was bedeutet es z.B., wenn die Eltern sich nicht um eine zusätzliche Versicherung gekümmert haben? Müssen das dann die Kinder ausbaden? Schürmann zitierte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das bereits im Juni 2005 die Notwendigkeit der erweiterten Eigenvorsorge betont und damit den geringen Stellenwert des Elternunterhalts für die Altersabsicherung begründet hat. Außerdem monierte Schürmann, dass es selbst bei schwersten Kränkungen und Beleidigungen nicht zur Verwirkung des Elternunterhalts kommt. Für Schürmann gilt nach wie vor der Leitsatz: Für die Bemessung des Verwandtenunterhalts gelten nicht dieselben Maßstäbe wie für Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten. Somit kann weder auf Unterhaltsrichtlinien noch auf Unterhaltstabellen für auseinandergebrochene Ehen zurückgegriffen werden.
Pflege – eine gesellschaftliche Aufgabe
Im sozialrechtlichen Teil der Veranstaltung sprach Rechtsanwältin Constanze Würfel aus Leipzig über die Grundsicherung im Alter. Rechtsanwalt Prof. Ronald Richter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht, gab Einblicke in die Pflegeleistungen. Der erste Strickfehler an der Pflegeversicherung sei, dass sie damals unter Blüm im Arbeitsministerium und nicht im Gesundheitsministerium geschrieben wurde. Wobei die Gewährung von kleinen Budgets im Pflegefall den Namen Versicherung gar nicht verdiene. Tagespflege, das große Kombinationsbudget, Wohngruppenzuschlag – Richter lieferte viele wertvolle Tipps für die rechtliche Beratung, sowohl für Sozial- als auch für Familienrechtler.
Konfliktkultur – Familienmediation
Am nächsten Tag widmete sich die Arbeitsgemeinschaft gemeinsam mit den Arbeitsgemeinschaften Sozialrecht und Mediation dem Thema "25 Jahre Mediation in Deutschland – ein Beitrag für mehr Gerechtigkeit?" – und griff damit das Motto des 66. Deutschen Anwaltstages auf – "Streitkultur im Wandel". Die Bilanz war eher ernüchternd, denn die Mediation – unbestreitbar in vielen Fällen ein geeignetes Verfahren, Konflikte zu lösen – ist im Familienrecht nach wie vor nicht etabliert. Viele Mandantinnen und Mandanten haben eine falsche Erwartungshaltung, sie wollen häufig die schnelle Lösung, die möglichst wenig kostet. Das kann die Mediat...